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Gottes Allwissenheit

Wie oft denken wir mit Blick auf unsere Vergangenheit: „Ich wünschte, ich hätte damals gewusst, was ich heute weiß.“ Es gehört zum Menschsein, dass wir nie alles wissen, was es zu wissen gibt, und dass wir im Verlauf unseres Lebens immer mehr wissen (jedenfalls solange alle unsere Sinne richtig funktionieren). Der Umstand, dass wir mehr wissen wollen und so viel Energie auf Bildung verwenden, zeigt, dass Wissen etwas Wertvolles ist. Es ist äußerst kostbar und nützlich für das Leben. Es ist ein Bestandteil der Weisheit, nach der wir leben. Wenn wir uns mehr davon aneignen, verbessern sich wahrscheinlich die Bedingungen für unser menschliches Leben.

Aber die Tatsache, dass wir uns mehr Wissen aneignen wollen und können, und dass wir manchmal leider auch Wissen verlieren, bedeutet, dass das menschliche Wissen dynamisch ist. Es kann sich vermehren und ist begrenzt. Selbst die klügsten Menschen, die wir kennen, die ohne erkennbare Anstrengung interessante Fakten kennen und komplexe Theorien verstehen, mussten diese Dinge erst lernen. Sogar das beeindruckendste menschliche Wissen ist nicht allumfassend und erfordert Anstrengung.

Gott ist anders

Bei Gott ist das anders. Einem Verständnis von Gottes Eigenschaften – vor allem derer, die schwer zu erklären sind – nähern wir uns oft über den verneinenden Vergleich mit uns selbst. Das heißt, Gott ist so groß und mächtig. Sein Wesen ist so anders als das unsere, dass wir, wenn wir über seine Eigenschaften sprechen wollen, mit dem beginnen müssen, was er nicht ist. Gott selbst spricht auf diese Weise in der Heiligen Schrift: „Denn ich, der Herr, verändere mich nicht“ (Mal 3,6).

Kurz und bündig definierte A.W. Tozer Gottes Allwissenheit, auch Omniszienz genannt: „Zu sagen, dass Gott allwissend ist, bedeutet, dass er vollkommenes Wissen besitzt und daher nicht lernen muss. Aber es ist noch mehr: Es bedeutet, dass Gott nie gelernt hat und nicht lernen kann.“

Was wir nur unvollständig wissen, weiß Gott in seiner Vollständigkeit. Die Behauptung, Gott könne etwas nicht wissen, wird von der Schrift als Absurdität abgetan: „Der das Ohr gepflanzt hat, sollte der nicht hören? Der das Auge gebildet hat, sollte der nicht sehen?“ (Ps 94,9). Gottes Wissen ist vollkommen und vollständig. Wenn du mich etwas über Toledo im US-Bundesstaat Ohio fragst, kann ich eine Menge erzählen, denn ich bin dort aufgewachsen. Wenn du mich nach Luxemburg fragst, kann ich nur sehr wenig sagen, denn ich bin noch nie dort gewesen. Das menschliche Wissen kennt einige Dinge besser als andere. Gott kennt hingegen alle Dinge gleich gut. Bei Gott gibt es kein Heureka! Er entdeckt nie, ist nie überrascht, lernt nie. Das gilt für alle Dinge: „Sein Verstand ist unerschöpflich“ (Jes 40,28). Ganz besonders hebt die Schrift seine Kenntnis des Menschen hervor: „Kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern alle sind enthüllt und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft zu geben haben“ (Hebr 4,13).

Gottes Wissen ist jedoch keine Frage der schieren Menge. Es ist nicht so, als wäre sein Wissen deshalb großartiger und vollkommener, weil er mehr Dinge weiß als wir. Gott weiß die Dinge als Gott, der außerhalb der Zeit steht, der nichts benötigt und von niemandem abhängig ist. Augustinus sagte einmal: „Gott kennt die Geschöpfe nicht deswegen, weil sie existieren, sondern sie existieren, weil er sie kennt.“

Der große Fehler des Offenen Theismus

Mit anderen Worten: Wir müssen nicht erst etwas tun, damit Gott davon weiß. Ein Beispiel: Ich hoffe, eines Tages meine Enkelkinder zu kennen. Das wird allerdings nicht geschehen, bevor meine Kinder sie bekommen. Mein menschliches Wissen ist durch die Entfaltung der Zeit begrenzt.

In den letzten dreißig Jahren hat eine Lehre, die als Offener Theismus (engl. Open Theism) bezeichnet wird, etwas Ähnliches gesagt, dabei aber die Begrenzung Gott zugeschrieben. Offene Theisten versuchen, der Freiheit des menschlichen Willens einen bedeutenden Platz einzuräumen. Sie behaupten, dass Gott unsere zukünftigen Handlungen nicht kennt. Da er mit uns lebt, bekommt er sie erst in dem Moment mit, wenn wir etwas tun.

Dies ist ein großer Fehler, bei dem Gottes Wissen von seinen Geschöpfen und dem Lauf der Geschichte abhängig gemacht wird. Gott als jemand, der außerhalb der Zeit steht, weiß alles auf einmal. „Er weiß alle Dinge sofort, gleichzeitig, von Ewigkeit her; alle Dinge sind seinem geistigen Auge ewig gegenwärtig“, sagte der niederländische Theologe Herman Bavinck. Dieses Wissen gilt auch für alle Dinge, die möglich sind, schließlich hat Gott in seiner göttlichen Vorsehung angeordnet, wie alles geschehen soll (vgl. Ps 139,16) – bis hin zum Sperling, der zu Boden fällt (vgl. Mt 10,29). Das richtige Verständnis von Gottes Allwissenheit hilft uns, theologische Irrtümer wie den Offenen Theismus zu identifizieren.

Gottes Allwissenheit spendet seinem Volk Trost

Positiv ausgedrückt: Gottes Allwissenheit spendet seinem Volk Trost und führt zu seiner Anbetung. Man könnte versucht sein zu denken, dass Gottes unverständliches Wissen Distanz zwischen ihn und sein Volk bringt. Das Gegenteil ist der Fall. In Psalm 139,1–18 bezeichnet der Psalmist das tiefste und intimste Wissen, das Gott über ihn hat, als „kostbar“ (Ps 139,17). Warum? Weil er weiß, dass unser Bundesgott gnädig ist, voller Barmherzigkeit und Hilfe (vgl. Ps 116,5–7). William Ames formulierte treffend: „Der Glaube stützt sich auf den, der weiß, was wir brauchen, und der auch bereit ist, es zu geben.“

Jenseits von seinem Wissen über uns verfügt Gott auch über vollkommenes Wissen über sich selbst. Unsere Kenntnis von ihm hängt davon ab. Denn wenn Gott sich selbst nicht kennen würde, hätte er uns nichts zu offenbaren. Gott sei Dank kennt er sich selbst – Vater, Sohn und Heiliger Geist – in Vollkommenheit. Jesus sagt: „Alles ist mir von meinem Vater übergeben worden, und niemand erkennt den Sohn als nur der Vater; und niemand erkennt den Vater als nur der Sohn“ (Mt 11,27).

So wie der Vater und der Sohn einander vollkommen kennen, so erforscht der Geist „die Tiefen Gottes“ (1Kor 2,10). Weil sie in der göttlichen Natur einander vollkommen kennen, gibt es eine unendliche Fülle und einen unendlichen Reichtum der Liebe und der Freude, die die Personen der Dreieinigkeit miteinander teilen. Es ist dieselbe Liebe und Freude, die Gott uns in seiner Gnade im Evangelium eröffnet und die uns, wenn wir sie empfangen, dazu veranlasst, voller Liebe in ein altes Kirchenlied einzustimmen: „Immortal, invisible, God only wise“ (dt. etwa: „Unsterblich, unsichtbar, der allein weise Gott“).


Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Blaire Smith
Blaire Smith
Dr. Blair Smith ist Assistenzprofessor für Systematische Theologie am Reformed Theological Seminary in Charlotte, North Carolina (USA).