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Glückselig sind die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten

Die ersten vier Seligpreisungen beschreiben die Bedürftigkeit eines Jüngers. Die letzte davon lautet: „Glückselig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten“ (Mt 5,3–6). Jesus beginnt mit: „Glückselig sind die geistlich Armen, denn ihrer ist das Reich der Himmel“ (Vers 3). Arm im Geist zu sein heißt, sich seines geistlichen Mangels und seiner Abhängigkeit von Gott bewusst zu sein (Ps 34,6Zef 3,12).

Diese Seligpreisung führt zur zweiten. Die Armen im Geist sind über ihre Armut bekümmert (Mt 5,4). Sie beklagen vor allem ihre eigene Sünde, aber auch alle Sünde generell. Das ist eine gesegnete Trauer, denn die, die über die Sünde trauern, wird Gott trösten. In Psalm 119,136 heißt es: „Tränenströme fließen aus meinen Augen, weil man dein Gesetz nicht befolgt.“ Auch Jakobus ruft zum Trauern auf: „Reinigt die Hände, ihr Sünder … trauert und heult“ (Jak 4,8–9).

Die zweite Seligpreisung führt zur dritten: Wer seine geistliche Armut kennt und betrauert, wird sanftmütig. Sanftmut ist das Gegenteil von Arroganz, Eifersucht und selbstsüchtigem Ehrgeiz (2Kor 10,1;Jak 3,13–141Petr 3,15–16). Sanftmut steht im Gegensatz zu einer aus Egoismus erwachsenden Selbstbehauptung. Weil die Sanftmütigen um ihre geistliche Armut wissen und darüber trauern, weigern sie sich, sich selbst zu erhöhen.

„Glückselig sind, die nach der Gerechtigkeit hungern und dürsten“ ist also die zentrale Seligpreisung (Mt 5,6). Jünger, die ihre Sünde und Schwachheit kennen, bitten Gott, ihr Bedürfnis nach Gerechtigkeit zu stillen.

„Hungern und dürsten“ ist ein Bild, das für uns heute nicht mehr so aussagekräftig ist wie in den Tagen Jesu. Damals waren Nahrung und Wasser knapp und Hunger und Durst für viele Menschen eine vertraute Erfahrung. In unserer Kultur ist Essen und Trinken im Überfluss vorhanden, und so kann uns die absolute Dringlichkeit entgehen, die Jesus damit zum Ausdruck bringen will. Hungrige und durstige Menschen arbeiten hart, weil Nahrung unentbehrlich ist. Nach Gerechtigkeit zu hungern und zu dürsten bedeutet also, mit großer Dringlichkeit nach Gerechtigkeit zu streben.

Der Begriff Gerechtigkeit hat in der Schrift mehrere Bedeutungsvarianten. Bei Paulus liegt das Hauptgewicht auf der Gerechtigkeit vor dem Gesetz, die wir durch das Erlösungswerk Christi erhalten. Diese Bedeutung spielt auch bei Matthäus eine Rolle. Er nennt Jesu Tod ein „Lösegeld für viele“ (20,28) und berichtet darüber, wie diese Sühne geleistet wurde (Mt 27,38–46). Aber in Matthäus 5 geht es Jesus hauptsächlich um die persönliche Gerechtigkeit der Jünger, die Mord, Zorn und Ehebruch ablegen. Sie sind freigebig gegen ihre Unterdrücker und lieben ihre Feinde (Verse 22–48). Solche dürstenden Jünger streben auch nach der Barmherzigkeit, der Reinheit und dem Frieden, von denen die nächsten Seligpreisungen handeln.

Die Sprache von Hunger und Durst ist der Schrift geläufig. Gott sagt: „Wohlan, ihr Durstigen alle, kommt her zum Wasser; und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst … so sollt ihr Gutes essen, und eure Seele soll sich laben an fetter Speise!“ (Jes 55,1–2). Jesu Angebot lautet: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern, und wer an mich glaubt, den wird niemals dürsten“ (Joh 6,35).

Nach Gerechtigkeit zu hungern bedeutet, sich nach der Herrschaft Gottes in unserem Leben zu sehnen (Mt 6,33). Es bedeutet, Durst nach dem Wort Gottes und der Gemeinschaft der Gottesfürchtigen zu haben. Gerechtigkeit hat in der Schrift mehrere Aspekte. Als erstes ist da, wie wir gerade betont haben, die persönliche Gerechtigkeit. Der Hunger danach bringt uns dazu, unsere Sünde durch die Kraft des Heiligen Geistes mit der Wurzel auszureißen und mehr wie Jesus zu werden. Das ist Heiligung.

Aber weil unser Streben nach Heiligkeit immer zu kurz greift, denken wir als nächstes an die Gerechtigkeit Christi, die uns zugerechnet wird, wenn wir an ihn glauben. Das ist Rechtfertigung. Rechtfertigung verleiht uns Gerechtigkeit vor dem Gesetz, so dass wir als Gläubige am letzten Tag vor Gott als Richter bestehen können. Rechtfertigung wäscht all unsere Schuld und Sünde ab, unabhängig vom Grad unserer Heiligung.

Und drittens sehnen sich Jünger nach sozialer Gerechtigkeit, danach, dass Gott die Gesellschaft reinigt. Hunger nach Gerechtigkeit führt Jünger dazu, Gottes Sache unter anderem im Geschäftsleben, in der Erziehung und in der Politik zu vertreten. Des Weiteren erwarten wir den Tag der Wiederkunft Jesu, wenn er die Schöpfung wieder in Ordnung bringen und Satan stürzen wird, und die Gerechtigkeit Gottes die Erde bedecken wird.

Hungerst du nach Gerechtigkeit? Jagst du der Heiligung nach? Persönlich? In der Gesellschaft? Oder bist du mit einem Häppchen Gerechtigkeit zufriedenzustellen – mit ein paar flüchtigen Anwandlungen von Gerechtigkeit und Liebe? Folgst du einer leidenschaftslosen Routine, lebst ein Leben stumpfer Pflichterfüllung, passt dich an und lässt dich treiben, so dass deine Jahre wie ein fauler Sommertag vorübergehen? Echte Jünger sehnen sich mit aller Kraft nach Gottes Gerechtigkeit und jagen ihr nach. Ich hoffe, dass auch du zu ihnen gehörst und dich nach der Gerechtigkeit unseres Herrn ausstreckst.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Daniel M. Doriani
Daniel M. Doriani
Dan Doriani ist Vizepräsident für strategische akademische Projekte und Professor für Theologie und Ethik am Covenant Theological Seminary in St. Louis, Missouri (USA), und Mitglied des Rates der Gospel Coalition. Er und seine Frau Debbie haben drei Kinder.