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Das Leben ist ein Hauch

Bei kaltem Wetter wird unser Atem plötzlich für kurze Zeit sichtbar. Jedes Mal wenn wir ausatmen, sehen wir, wie der Atemhauch flüchtig erscheint und dann wieder verschwindet. Mit dem Wort „Hauch“ (Einheitsübersetzung) oder der Wendung „nichtig und flüchtig“ (Zürcher Bibel) beschreibt Salomo in Prediger 1,2 das diesseitige Leben. Das Wort „flüchtig“ hat hier nicht die Bedeutung „sinnlos“, sondern weist darauf hin, dass alles vergeht und man nichts festhalten kann. Ein Hauch ist in einem Moment da und im nächsten verschwunden; es ist unmöglich, ihn in der Hand zu halten. Noch bevor du die Möglichkeit gehabt hast, ihn näher zu betrachten und zu begreifen, ist er schon nicht mehr da.

Im Buch Prediger zeigt Salomo auf, dass das Leben in vielerlei Hinsicht wie ein Hauch ist, wobei er drei dieser Aspekte gleich zu Beginn des Predigerbuches besonders herausstellt. Zuerst betrachtet Salomo die Weisheit selbst. Er erklärt, es sei verlockend zu meinen, in der Weisheit für alle Lebensumstände eine Antwort finden zu können, weist uns dann aber darauf hin, dass Weisheit in diesem Leben begrenzt ist (das sagt einer der weisesten Männer, die je gelebt haben!). Vieles kann nicht gelöst oder berichtigt werden, und es gibt vieles, was nicht entdeckt oder erklärt werden kann (vgl. Pred 1,15.18). Insofern ist Weisheit flüchtig und unvollkommen; eine gewisse Zeit lang und bis zu einem gewissen Grad ist sie nützlich und darüber hinaus nicht, daher ist sie nur bedingt hilfreich. Wahre Weisheit schließt mit ein, dass man die Grenzen der Weisheit anerkennt.

Als zweiten Aspekt greift Salomo die materiellen Vergnügungen heraus. Er beschreibt, wie er sich selbst in seinem Leben den Genuss von Wein gegönnt hat, wie er es genossen hat, sich Häuser zu bauen, sich Gärten und Wasserteiche anzulegen und sich Rinder- und Schafherden zu halten und von Menschen verwöhnen zu lassen (vgl. Pred 2,1–8). Doch all das erfüllte ihn letztlich nicht. Er gelangte zu der Erkenntnis, dass ein auf materiellen Dingen beruhendes Vergnügen zwar nicht völlig unbedeutend ist, aber es handelt sich dabei um ein vergängliches Gefühl, das nicht dauerhaft anhält. Anhaltenden, unerschöpflichen Genuss – wahre und endgültige Freude – kann man nicht dadurch erlangen, dass man den materiellen Dingen dieser Welt nachjagt. Die Vergnügungen dieses Lebens sind nur ein Dunsthauch.

Als dritten Punkt nennt Salomo die Arbeit. Er zeigt, dass auch die Arbeit ein flüchtiger Dunst ist, denn das Leben endet mit dem Tod. Wir wissen nicht, wem unsere Gewinne am Ende unseres Lebens zufallen werden. Außerdem muss man als Arbeiter oft mühsame, schwierige und qualvolle Aufgaben verrichten (vgl. Pred 2,23). Wofür macht man das alles? Für einen Lohn, den wir über unseren bevorstehenden Tod hinaus nicht genießen können. In unserer Gesellschaft wird das auch Hamsterrad genannt. Arbeit ist nur ein Dunsthauch.

Nun könnte man erwarten, dass Salomo die zynische Schlussfolgerung zieht, das Leben sei nicht lebenswert. Doch Salomo ist kein Zyniker. Er ist Realist. Salomo stellt die Lage nie schlimmer dar, als sie ist – er möchte uns bloß helfen zu verstehen, was es bedeutet, in dieser gefallenen Welt zu leben. So kann man in diesem Leben zwar durchaus Freude und Sinn finden, doch müssen wir das Leben auch realistisch sehen als das, was es ist: ein Dunsthauch. Was also rät Salomo? Er ermutigt uns, das alltägliche Leben mit den Menschen zu genießen, die wir lieben, so zu leben, wie es Gott gefällt, und auf Gottes Fürsorge zu vertrauen (vgl. Pred 2,24–26; 9,7–10). Mit anderen Worten: Salomo fordert uns auf zum Glauben. In unserer aktuellen Phase der Heilsgeschichte nimmt dieser Glaube viel klarere Konturen an, weil wir wissen, dass unser Herr Jesus Christus uns von unserer flüchtigen, einem Dunsthauch gleichenden Existenz erlöst hat.

Wir werden am Ende unser Zuhause bei ihm haben – bei ihm, der uns ewiges Leben und unvergängliche Freude schenkt.


Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Thomas Brewer
Thomas Brewer
Thomas Brewer ist außerordentlicher Professor am Reformation Bible College. Er ist außerdem stellvertretender Verlagsleiter bei Ligonier Ministries, leitender Mitherausgeber der Zeitschrift Tabletalk und lehrender Ältester in der Presbyterian Church in America. Er erwarb seinen B.A. in Literatur und Alten Sprachen an der Universität von Oklahoma und seinen M.Div. am Reformed Theological Seminary in Orlando, Florida (USA).