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Ist Christologie wirklich wichtig?

In der Nachfolge der heiligen Väter also lehren wir alle übereinstimmend, unseren Herrn Jesus Christus als ein und denselben Sohn zu bekennen: derselbe ist vollkommen in der Gottheit und derselbe ist vollkommen in der Menschheit; derselbe ist wahrhaft Gott und wahrhaft Mensch … der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei … die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt.

So schrieben die Kirchenväter im Bekenntnis von Chalcedon im Jahr 451. Aber selbst wenn sie „übereinstimmend“ sprachen, klingt ihre Lehre von Christus doch sehr komplex. Ist das ganze wirklich so wichtig?

Angesichts der Opfer, die sie brachten, um Christus richtig zu beschreiben, kann man sich nur vorstellen, was diese Christen sagen würden, wenn sie bei einem Hauskreis zum Thema Philipper 2,5–11 zugegen wären. Sie würden vermutlich zu uns sagen: „Von dem, was wir gehört haben, war die richtige Lehre über Jesus Christus nie wichtiger.“

Stellen sie sich die Diskussion vor über „der, als er in der Gestalt Gottes war, … sich selbst entäußerte“ (Phil 2,6–7). Einer spricht: „Das bedeutet, dass Jesus für eine Zeit Mensch wurde und dann später wieder zurückkehrte zu Gott“. „Nein“, erwidert ein anderer, „er entäußerte sich nur seiner göttlichen Eigenschaften und nahm sie später wieder auf.“ „Eigentlich“, entgegnet ein dritter (der nicht über die Wunder von Mose, Elia und die der Aposteln nachgedacht hat), „hat er seine Menschlichkeit mit seiner Göttlichkeit vermischt – dadurch war es ihm möglich, Wunder zu tun“.

Ist es wirklich so wichtig, ob diese Ansichten falsch oder sogar häretisch sind, solange wir nur wissen, dass Jesus rettet und wir anderen von ihm bezeugen? Denn das Wichtigste ist doch, dass wir das Evangelium verkünden.

Aber das ist genau der Punkt – Jesus Christus selbst ist das Evangelium. Wie bei losen Fäden in einem Wandteppich – wenn man an einer dieser Ansichten zieht, beginnt sich das ganze Evangelium aufzulösen. Wenn der Christus, dem wir vertrauen und den wir verkündigen, nicht dazu qualifiziert ist, uns zu retten, dann haben wir einen falschen Christus.

Reflektieren sie für einen Moment über die Beschreibungen von Christus im ersten Absatz. Wenn er an irgendeinem Punkt aufhörte, vollkommen in der Gottheit zu sein, dann würde das ganze Universum auseinanderfallen – denn er ist derjenige, der alle Dinge durch das Wort seiner Kraft trägt (Hebr 1,3). Wenn er eine Mischung aus Göttlichkeit und Menschlichkeit wäre, dann wäre er nicht wahrhaft oder vollkommen menschlich und deshalb nicht mehr länger einer von uns, der fähig ist, als unser Repräsentant und Stellvertreter zu handeln. Er könnte weder Sünder retten, noch den Heiligen Beistand leisten. Deshalb betont der Hebräerbrief, dass Christus eine Menschlichkeit besitzt, die identisch zu unserer ist, ausgenommen der Sünde – ohne Vermischung oder Vermengung.

Viele von uns wollen das, was wir lieben, genau beschreiben, sei es aus dem Bereich Wissenschaft, Computer, Sport, Geschäftsleben oder Familie. Sollten wir gleichgültig im Bezug darauf sein, wie wir über unseren Retter und Herrn denken und reden?

Deshalb haben die Kirchenväter und später die Westminster-Theologen betont, dass Gottes Sohn immer „von einem Wesen und gleich mit dem Vater“ blieb, und doch in der Menschwerdung „menschliche Natur an sich [nahm] mit all deren wesentlichen Eigenschaften und allgemeinen Schwachheiten, jedoch ohne jede Sünde… . So sind die beiden ganzen, vollständigen und verschiedenartigen Naturen – die Gottheit und die Menschheit – untrennbar in einer Person vereinigt, ohne Verwandlung, Zusammensetzung oder Vermischung“ (WCF 8.2).

Was diese Erklärung so eindrucksvoll macht, ist, dass sie das Geheimnis der Menschwerdung schützt und zur gleichen Zeit sorgsam dessen Wirklichkeit beschreibt. Die zwei Naturen des Sohnes sind nicht miteinander, sondern in seiner einen Person verbunden. Deshalb hat er in allem, was er unternahm, entsprechend seiner Göttlichkeit oder seiner Menschlichkeit gehandelt; eine göttliche Person, die die Fähigkeiten der jeweiligen Natur in ihrem zugehörigen Bereich ausübt.

Das unterstreicht also den Wert der kirchlichen Bekenntnisse. Sie wurden von Männern niedergeschrieben, die tiefer nachgedacht und oft schwerer gelitten haben als wir. Sie sprachen aus einer tiefen Liebe für Christus und sein Volk, in Sorge um eine verlorene Welt. Ihr Zeugnis hilft uns auf drei Weisen:

  1. Es schützt uns, indem es unserem Denken Grenzen setzt.
  2. Es lehrt uns, indem es uns hilft, biblische Wahrheiten in der knappsten Form ausgedrückt zu sehen.
  3. Es verbindet uns, so dass überall in der Welt Christen das gleiche klare Bekenntnis darüber teilen können, wer Christus ist und was er getan hat.

Ist Christologie wirklich wichtig? Im Licht der Opfer, die unsere Vorväter gebracht haben, um die Herrlichkeit der Person unseres Retters auszudrücken und was Christus sein musste, um uns zu retten, dann ist sie ganz bestimmt wichtig.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Sinclair B. Ferguson
Sinclair B. Ferguson
Sinclair B. Ferguson ist Professor für Systematische Theologie am Reformierten Theologischen Seminar (USA). Er diente lange als Hauptpastor der ersten presbyterianischen Kirche in Columbia (South Carolina, USA).