Die Bildsprache der Offenbarung
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Der Begriff „Eschatologie“ und seine Bedeutung sind für viele Christen unbekannt und verwirrend. Das liegt zum großen Teil daran, wie Eschatologie gelehrt wurde. Meistens beschränkt sich die Lehre auf die Auseinandersetzung mit den letzten Ereignissen vor der Wiederkunft Christi. Natürlich gehört das dazu, aber Eschatologie ist noch so viel mehr. Sie ist in jeden Vers der Heiligen Schrift eingewoben. Daher ist das eschatologische Leben die trinitarische, bundesgemäße Verheißung der Offenbarung Gottes an uns.
Dennoch fragen sich viele Christen, welche Rolle der eschatologische Charakter der Bibel für ihr tägliches Leben spielt. In diesem Artikel werden wir uns auf zwei Aspekte des eschatologischen Lebens konzentrieren. Zunächst werden wir das eschatologische Leben unter dem Aspekt des Lebens im Reich Gottes untersuchen. Anschließend werden wir ein eschatologisches Leben nachzeichnen, das mit unserer durch den Geist bewirkten Vereinigung mit Christus zusammenhängt.
Leben im Reich Gottes
Im Mittelpunkt des Wirkens Christi stand das Reich Gottes. Es wurde im Alten Testament vorausgesagt, durch das erste Kommen unseres Herrn eingeleitet, im übrigen Neuen Testament erläutert und wird bei Jesu zweitem Kommen vollendet. Eschatologisches Leben beginnt mit dem Verständnis, dass Christen als Bürger des Reiches Gottes leben (vgl. Phil 3,20). Wie wirkt sich diese auf das Reich Gottes ausgerichtete Denkweise auf unsere Lebensweise aus?
Dazu kommen mir einige Aspekte in den Sinn. Ein Bürger des Reiches Gottes zu sein bedeutet vor allem, dass wir arm im Geist sind (vgl. Mt 5,3). Das ist der unverzichtbare Zugang, die „Pforte“ des Reiches Gottes, weshalb Jesus diese Voraussetzung in den Seligpreisungen auch an erster Stelle nennt. Arm im Geist zu sein bedeutet, dass wir erkennen, dass wir einen Erlöser für unsere Sünde brauchen, und dass wir uns täglich von allen Formen der Selbstbezogenheit lossagen.
Darüber hinaus erinnert uns die Lehre Jesu über das Reich Gottes daran, unsere Erwartungen anzupassen. Das Reich Gottes wächst langsam, in Gottes souveränem Tempo (vgl. Mt 13,31–33). Ein Großteil der Verunsicherung über den Auftrag der Kirche ist in dem Irrglauben begründet, die Hauptaufgabe der Kirche bestünde darin, die sie umgebende Kultur zu verändern. Aber der kulturelle Wandel, sofern er überhaupt stattfindet, ist ein Nebenprodukt der Bürgerschaft des Reiches, nicht das Ziel. Überzogene Erwartungen sind ein sicherer Weg zu Burnout und Enttäuschung.
Die Bürger des Königreichs blicken also nach vorne und leben gleichzeitig in der Gegenwart. Der Gläubige sehnt sich danach, dass Jesus das Reich in seiner Fülle aufrichtet (vgl. Offb 21–22). Aber während die Christen auf die Vollendung des Reiches Gottes warten, dienen sie mit unauslöschlicher Hoffnung und Freude, weil sie wissen, dass nichts, was sie tun, vergeblich ist, wenn es für den Herrn getan wird (vgl. 1Kor 15,58).
Einheit mit Christus
Und schließlich bedeutet ein eschatologisch Leben die Einheit mit Christus. Da Christus der geisterfüllte letzte Adam war (vgl. Lk 4,18; 1Kor 15,45), genießen wir, die wir mit ihm verbunden sind, dieselbe Geisterfüllung. Deshalb sind wir in dem Moment, in dem wir durch den vom Geist gewirkten Glauben mit Christus vereint sind (vgl. Joh 3,5), nichts weniger als geisterfüllt, geistgetauft und vom Geist beherrscht. Die Innewohnung des Geistes ist Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit (vgl. Kol 1,27).
Infolge dieser Vereinigung leben wir im „schon jetzt/noch nicht“ in Christus. Wir sind mit ihm gekreuzigt worden (vgl. Röm 6,6), aber wir tragen das Kreuz täglich (vgl. Lk 9,23). Wir sind bereits mit ihm auferstanden (vgl. Kol 2,12), aber wir sehnen uns nach der endgültigen Auferstehung (vgl. 1Kor 15,52). Diese eschatologische Spannung von „schon jetzt/noch nicht“ verdeutlicht die zweifache Ausrichtung eines Lebens im Reich Gottes.
Wenn wir beginnen, die Realität der Zugehörigkeit zum Reich Gottes und der Vereinigung mit Christus zu begreifen, entdecken wir einen unvergleichlichen Reichtum. Wir haben wahre Hoffnung, unabhängig von unseren Lebensumständen, weil wir erkennen, dass dieses gegenwärtige böse Zeitalter (vgl. Gal 1,4) nicht unser Zuhause ist, sondern das Reich Gottes. Wir schöpfen täglich in unserem Gebet und in unserem Denken aus der Kraft des Geistes. Wenn wir dies tun, wird die Verheißung Jesu vom lebendigen Wasser, das aus uns fließt, Wirklichkeit (vgl. Joh 7,37). Der Griff der Sünde lockert sich, und wir werden in Christus Stück für Stück in seine Herrlichkeit verwandelt (vgl. 2Kor 3,18). Das christliche Leben ist also ein eschatologisches Leben, vom Anfang bis zum Ende.
In unserem hektischen Leben ohne wirklichen Sabbat brauchen wir Ruhe, Erholung und Erneuerung, um in dieser Welt leben zu können; in einer Welt. die darauf ausgerichtet ist, uns an einem eschatologischen Leben zu hindern. Ich hoffe, dass die obige Abhandlung uns eine Tür öffnet, um das Leben so zu genießen, wie Gott es vorgesehen hat – überfließend im Geist, vereint mit Christus, zur Ehre des Vaters.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.