Unser dreieiniger Gott
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Oktober 18, 2022Ist die Dreieinigkeit biblisch?
Ist die Lehre von der Trinität biblisch? Nun, das hängt zunächst einmal davon ab, was man unter „biblisch“ versteht. Finden wir in der Bibel so etwas wie das Nicänische Glaubensbekenntnis? Nein. Liefert uns die Bibel irgendwo eine systematische Darstellung der Lehre von der Dreieinigkeit unter Verwendung von theologischen Begriffen wie homoousios oder Hypostase? Nein. Wenn also das erforderlich ist, damit die Lehre von der Dreieinigkeit biblisch ist, dann müssen wir sagen: Nein, diese Lehre ist nicht biblisch. Aber das ist es nicht, was eine Lehre aufweisen muss, um biblisch zu sein.
Das Glaubensbekenntnis von Westminster erklärt: „Der ganze Ratschluss Gottes – bezüglich alles dessen, was notwendig ist zu seiner eigenen Ehre, zum Heil, Glauben und Leben der Menschen – ist entweder ausdrücklich in der Schrift niedergelegt oder kann mit guter und notwendiger Folgerichtigkeit aus der Schrift abgeleitet werden“ (Art. 1.6).[1] Die Lehre von der Dreieinigkeit ist nicht ausdrücklich im technischen Sinne (wie oben beschrieben) in der Heiligen Schrift dargestellt, aber sie ist mit Sicherheit eine „gute und notwendige Folgerichtigkeit“ dessen, was ausdrücklich in der Heiligen Schrift niedergeschrieben ist. Also: Was lehrt denn die Heilige Schrift ausdrücklich?
Nur ein Gott
Erstens: Die Heilige Schrift lehrt ausdrücklich, dass es nur einen Gott gibt. Diese Aussage ist für diejenigen, die die Autorität der Heiligen Schrift anerkennen, unstrittig. Nahezu jede Seite der Heiligen Schrift bezeugt die Wahrheit, dass es nur einen einzigen Gott gibt. So heißt es beispielsweise in 5. Mose 4,35: „Dir ist es gezeigt worden, damit du erkennst, dass der HERR Gott ist, und keiner sonst als er allein“ (siehe ebenso 5Mose 4,39; 32,39; Jes 43,10; 44,6–8). Der Polytheismus und der Götzendienst der Nationen, von denen Israel umgeben war, werden strengstens verurteilt, und zwar auf der Grundlage, dass Jahwe Gott ist und es keinen anderen gibt (Jes 44,6–20).
Der Vater ist Gott
Zweitens: Die Heilige Schrift lehrt ausdrücklich, dass der Vater Gott ist. Dieser Anspruch ist in der Kirchengeschichte ebenfalls unumstritten. Jesus spricht von „Gott, dem Vater” (z.B. in Joh 6,27). Paulus spricht vielfach von „Gott, unserem Vater“ und „Gott, dem Vater“ (z.B. in Röm 1,7; 1Kor 1,3; 8,6; 15,24; 2Kor 1,2; Gal 1,1.3; Eph 1,2; 5,20; 6,23; Phil 1,2; 2,11; Kol 1,2; 3,17; 1Thess 1,1; 2Thess 1,1–2; 2,16; 1Tim 1,2; 2Tim 1,2; Tit 1,4; Phlm 3). Die Schrift zeigt also sehr klar, dass es nur einen einzigen Gott gibt und dass der Vater Gott ist.
Der Sohn ist Gott
Drittens: Die Heilige Schrift lehrt ausdrücklich, dass der Sohn Gott ist. Wenn die Schrift nur lehren würde, dass es einen Gott gibt und der Vater Gott ist, dann ergäben sich daraus kaum Schwierigkeiten. Als Christ könnte man dann leicht den Schluss ziehen, dass im Alten Testament von diesem Gott als Jahwe gesprochen wird, und dass er dann im Neuen Testament als der Vater offenbart wird. Die Dinge werden aber komplizierter durch das, was die Schrift ausdrücklich über den Sohn, Jesus, den Messias, lehrt.
Die Schrift identifiziert den Sohn ausdrücklich mit Gott. Im Prolog des Johannesevangeliums lesen wir beispielsweise: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh 1,1). Hier wird das „Wort“ als Gott bezeichnet („war Gott“) und gleichzeitig von Gott unterschieden „bei Gott“. Wer ist dieses „Wort“? Vers 14 gibt die Antwort darauf: „Und das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des Eingeborenen vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ Das Wort ist Jesus, der Sohn.
Auf viele weitere Arten wird Jesus von den Autoren der Heiligen Schrift mit Gott identifiziert. Er ist zum Beispiel derjenige, von dem das Alte Testament als Jahwe spricht. Ein Beispiel dafür muss genügen. Das Markusevangelium beginnt mit einem Zitat aus Jesaja 40,3. Ursprünglich tröstet Jesaja das Volk Israel mit der Verheißung, dass Jahwe eines Tages kommen wird. Sie werden dazu aufgefordert, „den Weg des HERRN“ zu bereiten. Das Wort „HERR“ ist hier eine Übersetzung des hebräischen Namens Jahwe. Im Markusevangelium ist Jesus der Eine, der diese Prophezeiung erfüllt. Johannes der Täufer bereitet den Weg des Herrn Jesus, der zu Israel kommt. Auf diese Weise wird Jesus als Jahwe identifiziert, der jetzt zu Israel gekommen ist, wie er verheißen hat.
Es ist auch bemerkenswert, dass Jesus im Neuen Testament durchweg Worte, Taten und Eigenschaften zugeschrieben werden, die nur für jemanden angemessen sind, der Gott ist. Er wird angebetet (Mt 2,2). Er ermutigt seine Jünger, zu ihm zu beten (Joh 14,14). Er vergibt Sünde (Mt 9,1–8; Mk 2,1–12; Lk 5,17–26). Er ist der Schöpfer (Joh 1,3; Kol 1,16). Er erhält alle geschaffenen Dinge (Kol 1,17). Er ist Herr über die Schöpfung (Mt 8,23–27). Er wird der Richter beim Jüngsten Gericht sein (Joh 5,22; Apg 10,42). Die Heilige Schrift könnte diese Dinge nicht als Wahrheit über den Sohn aussagen, wenn der Sohn nicht Gott wäre.
Der Heilige Geist ist Gott
Viertens: Die Heilige Schrift lehrt ausdrücklich, dass der Heilige Geist Gott ist. Dieser Anspruch ist von Häretikern ebenso oft bestritten worden wie der Anspruch, dass der Sohn Gott ist, aber unser Maßstab ist die Autorität des Wortes Gottes: Das, was es lehrt, ist die Grundlage unseres Glaubens. Vielen Christen wissen, dass der Heilige Geist in Apostelgeschichte 5,3–4 als Gott bezeichnet wird, weil hier die Lüge gegen den Heiligen Geist mit der Lüge gegen Gott gleichgesetzt wird. Aber manche Christen glauben irrtümlicherweise, dass diese Schriftstelle der einzige biblische Nachweis für die Göttlichkeit des Heiligen Geistes sei. Das ist sie aber nicht. Wir können hier aus Platzgründen nicht eine vollständige Behandlung jeder relevanten Textstelle liefern, wollen aber einige hier anführen.
Vergleichen wir zum Beispiel Jesaja 6,8–10 mit Apostelgeschichte 28,25–27. Jesaja führt den Ausspruch Jahwes in seiner Prophezeiung an. In der Apostelgeschichte weist Paulus denselben Ausspruch dem Heiligen Geist zu. Mit anderen Worten: Was Jahwe sagt ist das, was der Heilige Geist sagt. Das Gleiche stellen wir fest, wenn wir Psalm 95,7–11 mit Hebräer 3,7–11 vergleichen. Was Jahwe in Psalm 95 sagt, schreibt der Autor des Hebräerbriefes dem Heiligen Geist zu.
Die drei Personen sind voneinander zu unterscheiden
Fünftens: Die Heilige Schrift lehrt ausdrücklich, dass Vater, Sohn und Heiliger Geist voneinander zu unterscheiden sind. Wenn wir in der Heiligen Schrift nur die vier zuerst genannten Lehren hätten, könnten wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass es nur einen Gott gibt und dieser Gott sich manchmal als Vater, manchmal als Sohn und manchmal als Heiliger Geist manifestiert. Diese Möglichkeit kann allerdings ausgeschlossen werden. Denn die Schrift unterscheidet zusätzlich zu den zuvor genannten vier Lehren die drei Personen auf eine Weise, durch die deutlich wird, dass jede Person nicht die andere ist, auch wenn jede Person Gott ist.
Die Schrift unterscheidet deutlich den Vater vom Sohn. Der Vater hat den Sohn gesandt (Joh 3,16–17; Gal 4,4). Der Vater und der Sohn lieben einander (Joh 3,35; 5,20; 14,31). Sie reden miteinander (Joh 11,41–42). Sie kennen einander (Mt 11,27). Der Sohn ist unser Fürsprecher beim Vater (1Joh 2,1). Keiner dieser Texte ergibt Sinn, wenn der Vater nicht vom Sohn unterschieden werden müsste.
Die Schrift unterscheidet auch deutlich den Sohn vom Heiligen Geist. Der Heilige Geist kommt herab auf den Sohn bei seiner Taufe (Lk 3,22). Der Heilige Geist ist ein „anderer Tröster“ (Joh 14,16). Der Sohn sendet den Heiligen Geist (Joh 15,26; 16,7). Der Heilige Geist verherrlicht den Sohn (Joh 16,13–14).
Schließlich unterscheidet die Schrift den Vater vom Heiligen Geist. Der Vater sendet den Heiligen Geist (Joh 14,16; 15,26). Vom Heiligen Geist heißt es auch, dass er beim Vater für uns eintritt (Röm 8,26–27).
Die drei werden in zahlreichen Schriftstellen unterschieden. Die bekannteste davon ist wohl der Teil des Missionsbefehls Jesu, in dem er den Jüngern befiehlt, die Völker zu taufen „auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19).
Daraus folgt …
Die theologische Frage ist demnach folgende: Wie müssen wir Gott verstehen, wenn alles, was die Schrift ausdrücklich lehrt, als wahr gelten soll? Mit anderen Worten: Was ist die gute und notwendige Folgerichtigkeit dieser ausdrücklichen Lehren? Jede frühere Irrlehre bezüglich der Dreieinigkeit scheiterte daran, dass sie einer oder mehreren dieser Lehren nicht gerecht wurde. Der Tritheismus[2] ließ die ausdrückliche Lehre außer Acht, dass es nur einen Gott gibt. Der Modalismus beachtete nicht, dass die drei Personen unterschieden werden. Der Arianismus beachtete nicht, dass der Sohn Gott ist und nicht lediglich ein Gott. Und so weiter. Um diesen Irrlehren zu begegnen und die Wahrheit zu erklären, arbeitete die Kirche die guten und notwendigen Folgerichtigkeiten der ausdrücklichen Lehren der Schrift aus, indem sie alles einbezog, was die Schrift lehrt. Die Kirche benutzte dabei Fachbegriffe. Sie hatte keine andere Wahl, weil die Irrlehrer oft darauf bestanden, nur biblische Begriffe zu benutzen, um ihre falschen Lehren leichter verschleiern zu können.
Das Ergebnis der Bemühungen der frühen Kirche war und ist die Lehre von der Dreieinigkeit. Diese Lehre ist prägnant im Nicäno-Konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis[3] (meistens als Nicäno-Konstantinopolitanum bezeichnet) dargelegt. Aber die Theologen der Kirche haben sie in zahlreichen theologischen Werken noch detaillierter ausgeführt, angefangen von Augustins De Trinitate (Über die Dreifaltigkeit) bis hin zu Thomas von Aquins Summa Theologiae, Johannes Calvins Unterricht in der christlichen Religion und weiteren. Sie alle haben die guten und notwendigen Folgerichtigkeiten der Lehren der Schrift dargelegt.
Ist nun also die Lehre von der Dreieinigkeit biblisch? Zweifellos.
[1] Deutsche Übersetzung: „Westminster Bekenntnis von 1647“, URL: https://www.evangelischer-glaube.de/westminster-bekenntnis/westminster-bekenntnis/ (Stand: 12.06.2021).
[2] Der Tritheismus ist eine auf die Trinität bezogene Irrlehre, welche die Wesenseinheit der Gottheit leugnet und stattdessen behauptet, dass es sich um drei göttliche Wesen handle – drei einzelne Götter – und nicht um einen Gott in drei Personen.
[3] Das Glaubensbekenntnis von Nicäa und Konstantinopel, das heute allgemein als Nicäno-Konstantinopolitanum bekannt ist, bekennt die volle Göttlichkeit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Es wurde vom Konzil von Konstantinopel (381 n.Chr.) verfasst und griff dabei zurück auf das Werk des Konzils von Nicäa (325 n.Chr.). Zu ihm bekennen sich alle rechtgläubigen Christen aller theologischen Traditionen.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.