Das Gleichnis vom reichen Narren
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Unser Gleichnis beginnt mit einem „reichen Mann“, der einen „Haushalter“ hatte (im Griechischen oikonomos, Lk 16,1). In der Antike war ein oikonomos ein vertrauenswürdiger Diener, der das Vermögen seines Herrn verwaltete und über finanzielle Verbindlichkeiten und Forderungen Buch führte. Der Haushalter in unserem Gleichnis ist jedoch unehrlich. Er wird beschuldigt, die Güter des Herrn zu „verschleudern“ (Lk 16,1). Unverzüglich zieht der Herr Konsequenzen und lässt den Haushalter Rechenschaft ablegen. Er wird gefeuert. Sofort überdenkt er seine Optionen: Er ist zu schwach zum Buddeln und zu stolz zum Betteln (Lk 16,3). Dann aber weicht die anfängliche Panik der Weisheit. Der Haushalter kontaktiert alle Schuldner seines Herrn, fragt sie, was sie dem Herrn schulden, und fordert sie auf, ihre Schuldscheine neu zu schreiben. Seine Strategie ist recht simpel: Er verteilt Rabatte, bevor er sein Namensschild abgeben muss, oder, um es in seinen eigenen Worten zu formulieren: „damit sie mich in ihre Häuser aufnehmen, wenn ich von der Verwaltung entfernt bin“ (Lk 16,4). Sein Plan beruht auf der antiken Vorstellung von Wohltätigkeit und Gastfreundschaft. Die Schuldner haben Verbindlichkeiten gegenüber seinem Herrn. Wenn er aber einen „Nachlass“ gewährt, dann sind die Schuldner dem Haushalter etwas schuldig. Und wenn sie dann feststellen, dass der Haushalter auf der Straße sitzt und keinen Job mehr hat, werden sie sich verpflichtet fühlen, ihm eine Gefälligkeit zu erweisen und ihm einen Schlafplatz geben.
Das Ganze klingt nach einem schlauen Plan, aber ist dieser Plan auch aufrichtig? Manche Kommentatoren finden die Vorgehensweise des Haushalters in Lukas 16,5–7 unehrlich und gegen den Willen des Herrn, vergleichbar mit einem Angestellten, der an seinem letzten Arbeitstag unzählige Werbegeschenke verteilt. Warum aber wird der Haushalter dann von seinem eigenen Herrn gelobt? Es muss doch daran liegen, dass seine Handlungen aus irgendeinem Grund lobenswert waren. Höchstwahrscheinlich hat der Haushalter den geschuldeten Betrag gesenkt, indem er seine eigene Provision abgezogen hat, um sowohl die Schuldner seines Herrn als auch sich selbst zu begünstigen. Anders ausgedrückt ist der Haushalter nicht deswegen unehrlich, weil er den von den Schuldnern geschuldeten Betrag verringert hat (Lk 16,5–7), sondern weil er den Besitz des Herrn vergeudet hatte (Lk 16,1). Jesus greift eher die „Weisheit“ bzw. „Klugheit“ des Haushalters auf als seine Unehrlichkeit. Seine Erklärung: „Denn die Kinder dieser Weltzeit sind ihrem Geschlecht gegenüber klüger als die Kinder des Lichts“ (Lk 16,8b).
Der Bezug vom Gleichnis zur Lebenswelt der Zuhörerschaft (sowohl in der Antike als auch Moderne) kommt dann in Lukas 16,9: „Auch ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, damit, wenn ihr Mangel habt, sie euch aufnehmen in die ewigen Hütten!“ Jesus ruft also seine Leute dazu auf, den weisen Handlungen des Haushalters im Umgang mit dem ungerechten (weltlichen) Reichtum nachzuahmen, um sich eine physische Unterkunft zu sichern. Allerdings gibt es einen großen Unterschied: Wir sollen unseren weltlichen (irdischen) Wohlstand dazu nutzen, um Freunde zu gewinnen und uns dadurch eine ewige „Hütte“ zu sichern. Dies wirft jedoch zwei entscheidende Fragen auf: (1) Wie gewinnen wir durch irdischen Reichtum Freunde? (2) Wie können uns diese Freunde in den Himmel „aufnehmen“?
Die Antwort auf die erste Frage wird in Lukas 16,10–13 dargelegt. Wir können nicht „Gott dienen und dem Mammon!” (Lk 16,13). Gott und der Mammon sind zwei konkurrierende Herren. Dem einen zu dienen bedeutet, dem anderen nicht zu gehorchen. Den einen zu lieben bedeutet, den anderen zu hassen. Sich mit weltlichem Reichtum Freunde zu machen ist ein Aufruf, unsere Finanzen ganz dem Willen Gottes und seinen Zielen mit dem Evangelium in der Welt zu unterordnen. Es bedeutet, die Bedürftigen zu segnen, indem wir „treue“ Verwalter des Geldes unseres Herrn sind (Lk 16,10). Dies bedeutet aber nicht, dass wir im Gegenzug nicht gesegnet werden.
Das bringt uns aber zu der zweiten, weitaus schwierigeren Frage: Wie können uns diese Freunde in den Himmel „aufnehmen“? Zunächst einmal ist es wichtig, anzumerken, dass das Verb „aufnehmen“ (Lk 16,9) kein explizites Subjekt hat. Folglich können diejenigen, die uns in den Himmel aufnehmen, entweder die irdischen „Freunde“ sein oder aber, so argumentieren manche, himmlische „Engel“ bzw. eigentlich Gott selbst. Da das Wort „Freunde“ im Text auftritt, erscheint es sinnvoll, dies als das Subjekt des Verbes „aufnehmen“ zu interpretieren. Dies könnte aber zu einer unbiblischen Sichtweise führen, dass das Geben von Geld an die Bedürftigen uns einen Zugang zum Himmel verschaffen könnte. Erlösung ist durch Gnade allein, im Glauben allein und nur in der Person und dem Werk Christi allein vollbracht. Dennoch zeigen wir unseren rettenden Glauben durch gute Werke. Lukas 16,11 bringt es auf den Punkt: „Wenn ihr nun mit dem ungerechten [d.h. weltlichen] Mammon nicht treu wart, wer wird euch das Wahre [d.h. den Himmel selbst] anvertrauen?“. Um es mit anderen Worten zu sagen: Wenn wir es nicht schaffen, gute Haushalter des irdischen Reichtums zu sein und stattdessen sagen „Geht hin in Frieden, wärmt und sättigt euch!“, ohne zu geben, „was zur Befriedigung ihrer leiblichen Bedürfnisse erforderlich ist“ (Jak 2,16), können wir nicht annehmen, dass uns himmlische Reichtümer des ewigen Lebens anvertraut werden. „Der Glaube ohne die Werke [ist] tot“ (Jak 2,26). Das ist ein radikaler Ruf zu biblischer Haushalterschaft in einem Zeitalter des weltlichen Reichtums. Möge Gott uns Gnade geben, dass wir die Bedürfnisse der Mitmenschen sehen und ihnen mit einer Dankbarkeit des Herzens begegnen, die ihren Ursprung in der Erlösungstat Gottes durch seinen Sohn Christus hat.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.