Reformierte Theologie richtig verstehen
September 19, 2023
Aus Liebe zur Bibel
Oktober 3, 2023
Reformierte Theologie richtig verstehen
September 19, 2023
Aus Liebe zur Bibel
Oktober 3, 2023

Wofür steht TULIP?

Die fünf Punkte des Calvinismus

Was haben eine Tulpe, die Liebe Gottes und ein jahrhundertealtes Erlösungsverständnis miteinander zu tun? Sie alle finden in den sogenannten fünf Punkten des Calvinismus zusammen.

Wie hängen diese Dinge zusammen? Das englische Wort tulip (dt. Tulpe) bildet ein Akrostichon, das ein bestimmtes Verständnis von Erlösung zusammenfasst, in dessen Zentrum die Liebe Gottes steht. Schauen wir uns einmal an, wie das funktioniert.

Totale Verderbtheit

T steht für total depravity (dt. totale Verderbtheit) und beschreibt, wie sich die Sünde auf uns Menschen auswirkt. Um dies zu verstehen, müssen wir jedoch beginnen, bevor die Sünde in die Welt kam. Unser dreieiniger Gott hat von Ewigkeit her als Vater, Sohn und Heiliger Geist existiert, gleich an Macht und Herrlichkeit, in einer nie beginnenden und nie endenden Beziehung heiliger Liebe. Diese heilige Liebe war der Grund für Gottes freie Entscheidung, das Universum sowie Mann und Frau nach seinem Ebenbild zu erschaffen, damit sie ihn und einander lieben. Adam entschied sich jedoch, unseren Schöpfer abzulehnen. Durch diesen Ungehorsam fiel die Menschheit in die Sünde (vgl. 1Mose 3Röm 5,12– 21). Die totale Verderbtheit besagt, dass die Sünde uns so verdreht hat, dass wir – ohne die Gnade Gottes – andere Dinge mehr lieben als Gott. Unser Verstand, unser Körper, unsere Neigungen, unser Geist – jeder Teil von uns ist von der Sünde befallen und aus eigenem Antrieb können wir diesem Dilemma nicht entkommen. Gott hat jedoch nicht aufgehört, seine Schöpfung zu lieben (vgl. Joh 3,16). Und in seiner Liebe hält er die Sünde zurück und bewahrt uns davor, tatsächlich so schlecht zu sein, wie wir sein könnten. So können auch diejenigen, die Christus nicht kennen, Dinge tun, die nach außen hin gut sind. Sie können gute Nachbarn sein, ihre Kinder lieben und so weiter. Doch außerhalb von Gottes Gnade tut niemand von uns diese Dinge mit der richtigen Motivation, nämlich Gott zu lieben und zu verherrlichen.

Bedingungslose Erwählung

U steht für unconditional election (dt. bedingungslose Erwählung), die ein Teil von Gottes Lösung für unsere völlige Verderbtheit ist. Gott wurde vom Sündenfall natürlich nicht überrascht. Er kennt das Ende von Anfang an. Die Geschichte ist Teil der Umsetzung seines Plans und seiner Absichten für alle Dinge (vgl. Jes 46,8–11Eph 1,11). Hätte Gott uns in unserem Zustand der Sünde und Entfremdung belassen, wäre das gerecht gewesen. Er entschied sich jedoch dafür, seine besondere Liebe auf sein Volk zu richten, es zu erlösen und ihm den Status der Gotteskindschaft wiederzugeben. Die bedingungslose Erwählung ist Gottes liebevolle Auswahl bestimmter Sünder – ohne Rücksicht auf irgendetwas Gutes in ihnen – für die Erlösung (vgl. Röm 9,1–29). Seine rettende Liebe, mit der er uns liebt, hängt nicht von unserer Intelligenz, unserem Aussehen, unserer Freundlichkeit, unserem sozialen Status oder irgendetwas anderem ab. Er liebt seine Leute nicht deshalb, weil sie weniger sündig sind als andere. Jeder Nachkomme von Adam und Eva (mit Ausnahme von Christus) ist ein Sünder. Die bedingungslose Erwählung besagt, dass Gott sich dafür entscheidet, einige Menschen zu retten und andere zu übergehen. Einige Menschen liebt er mit einer Liebe, die er für andere nicht hat.

Wenn du Christ bist, dann deshalb, weil Gott sich in Ewigkeit, lange bevor du geboren wurdest, entschieden hat, dich mit seiner rettenden Liebe zu lieben. Er hat dich nicht deshalb auserwählt, weil du besser warst als andere. Er hat dich nicht deshalb erwählt, weil er wusste, dass du dich für ihn entscheiden würdest, wenn er dir die Chance dazu gegeben hätte. Er hat sich einfach dazu entschlossen, dich zu lieben. Und da seine Liebe nicht von irgendetwas in dir abhängt, wird er auch nie aufhören, dich zu lieben.

Begrenzte Sühne

L steht für limited atonement (dt. begrenzte Sühne), die die Absicht Gottes hinter dem Tod Jesu beschreibt, der unsere Erlösung möglich macht. Die Frage ist: Wollte Christus die Sünden aller Menschen, die jemals gelebt haben, sühnen, oder wollte er nur die Sünden der Auserwählten sühnen? Man kann es auch anders ausdrücken: Hat Gott die Menschen im Allgemeinen – ohne sich dabei auf sie als Individuen zu beziehen – geliebt und Christus in den Tod geschickt, um eine Möglichkeit der Erlösung zu schaffen? Oder hat Gott bestimmte Menschen geliebt und seinen Sohn gesandt, um speziell für diese zu sterben und ihre Sünden vollkommen zu sühnen, sodass der Tod Christi tatsächlich die Erlösung ganz bestimmter Leute garantiert?

Gottes Gerechtigkeit macht die begrenzte Sühne notwendig. Gesühnte Sünde wurde verurteilt und wird uns von Gott nicht mehr vorgehalten. Aber Unglaube ist eine Sünde. Wenn Christus für alle Sünder gestorben ist, wie kann Gott dann jemandem den Unglauben vorhalten? Immerhin hat Christus für ihn gesühnt. Aber Gott schickt Ungläubige in die Hölle, was ungerecht wäre, wenn für ihre Sünde gesühnt wurde. Er hält ihnen eine Sünde vor, die ihnen nicht vorgeworfen werden kann, weil Christus für sie gesühnt hat.

Auch die Bibel lehrt ausdrücklich die begrenzte Sühne. Unter dem alten Bund brachte Israels Hohepriester am Versöhnungstag ein Sühneopfer nur für das Volk Israel dar, nicht für alle Menschen auf dem Planeten (vgl. 3Mose 16). Im neuen Bund sagt uns Jesus, dass er sein Leben für seine Schafe – und nur für seine Schafe – hingibt (vgl. Joh 10,1–18). Manche Menschen sind nicht seine Schafe, sondern Böcke. Jesus starb nicht für die Böcke, sondern für die Schafe – für sein Volk. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass einige Menschen aufgrund von Texten wie 1. Johannes 2,2 gegen die begrenzte Sühne Einspruch erheben. Da heißt es, dass Jesus nicht nur für unsere Sünden, „sondern auch für die der ganzen Welt“ gesühnt hat. Dieser Text bezieht sich jedoch nicht auf die Absicht der Sühne, sondern auf den Weg der Erlösung im Allgemeinen. Gott hat nur einen einzigen Weg der Erlösung vorgesehen – durch Christus (vgl. Joh 14,6). Wenn irgendjemand auf der Welt gerettet wird, dann durch ihn. Es gibt keinen anderen Weg. In 1. Johannes 2,2 geht es darum, dass Christus das einzige Sühneopfer ist, das einen Menschen retten kann, nicht darum, dass er die Sünden eines jeden Menschen gesühnt hat.

Unwiderstehliche Gnade

I steht für irresistable grace (dt. unwiderstehliche Gnade), die sich auf die liebende Erlösungskraft Gottes bezieht. Sie besagt im Wesentlichen, dass Gott, wenn er dich liebt und dich in seiner Familie haben möchte, dich auch retten wird. Er liebt dich so sehr, dass er dafür sorgen wird, dass du zum Glauben kommst; und er ist mächtig genug, um deinen Glauben zu garantieren. So oft im Leben sehen wir, wie geliebte Menschen falsche Wege gehen und wir können sie nicht davon abhalten. Wir sind machtlos, dafür zu sorgen, dass sie die richtige Entscheidung treffen. Gottes Liebe ist mächtig genug, um sicherzustellen, dass wir die richtige Entscheidung treffen. Er kann all unseren Widerstand überwinden und schafft es immer wieder, die Auserwählten zu überzeugen, ihm zu vertrauen. Gewiss, wir können Christus eine Zeit lang widerstehen. Wir lehnen das Evangelium vielleicht jahrelang ab, bevor wir am Ende glauben. Deshalb ist es vielleicht besser, von der letztlich unwiderstehlichen oder der wirksamen Gnade zu sprechen. Der Punkt ist, dass Gott am Ende alle seine Kinder zum Glauben bringen wird.

Es wird dir wahrscheinlich auffallen, dass dieser Punkt aus der bedingungslosen Erwählung folgt. Wenn Gott einige zum Heil erwählt hat und dieser Wille nicht vereitelt werden kann, dann muss seine Gnade letztlich unwiderstehlich sein. Sie muss wirksam sein, um uns zum Glauben zu bringen. Aber wir finden auch Belege dafür in Texten wie Johannes 6,37–40, wo uns gesagt wird, dass jeder, der Christus vom Vater zum Heil gegeben wird, tatsächlich zu ihm kommt. Auch in Epheser 2,1–10 heißt es, dass Gott Menschen, die tot in Sünden sind, lebendig macht. Die Auferstehung erfordert eine wirksame Kraft, denn tote Menschen können nicht mit Glauben reagieren. Gott muss wirksam handeln, um uns neue Herzen zu geben, bevor wir glauben, weil wir nicht mit ihm kooperieren können, solange wir tot in Sünden sind. Andere Texte, die auf Gottes letztlich unwiderstehliche Gnade hinweisen, sind z.B. 1. Mose 12,1–3, wo Gott Abram befiehlt, aus Ur hinaufzuziehen, und der Patriarch überhaupt nicht zögert und aufbricht. Gott hat es befohlen und es geschieht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die unwiderstehliche Gnade die Wahrheit aufrechterhält, dass Gott nicht nur all-liebend, sondern auch all-mächtig ist. Seine Liebe ist stark genug, um die Rettung all derer zu garantieren, die er retten will. Seine Liebe zu seinem Volk ist allmächtig.

Ausharren der Gläubigen

P bezieht sich auf perseverance of the saints (dt. Ausharren der Gläubigen), die Lehre der dauerhaft-rettenden Liebe Gottes zu seinem Volk. Gott hört nie auf, sein Volk mit seiner rettenden und wirksamen Liebe zu lieben. Folglich werden alle, die wirklich an ihn geglaubt haben, nicht endgültig vom Glauben abfallen. Wahre Gläubige an Christus mögen ihn eine Zeit lang zu verlassen scheinen, aber wenn sie wirklich an ihn geglaubt haben, werden sie immer zu ihm zurückkehren. Diejenigen, die sich zum Glauben bekennen, dann aber endgültig abfallen, haben nie wirklich an Christus geglaubt. Sie sind von uns gegangen, weil sie nie wirklich zu uns gehörten (vgl. 1Joh 2,19).

Andere theologische Wahrheiten – wie beispielsweise die bedingungslose Erwählung – erfordern das Ausharren der Gläubigen. Wenn Gott beschließt, die Auserwählten zu retten, müssen die Auserwählten ausharren. Wir finden diese Lehre auch ausdrücklich in der Bibel wieder. Christus sagt, dass niemand uns aus der Hand des Vaters reißen kann (vgl. Joh 10,28). „Niemand“ schließt auch uns ein – selbst wir können uns nicht aus seiner Hand reißen. In Römer 8,28–30 steht, dass Gott jeden, den er rechtfertigt, auch verherrlichen wird. Da die Rechtfertigung allein durch den Glauben erfolgt (vgl. Röm 4), verherrlicht Gott alle, die er rechtfertigt, und er verherrlicht alle, die zum rettenden Glauben kommen. Kurz gesagt, Gott liebt uns zu sehr, um uns aus seiner Gnade herausfallen zu lassen. Er wird uns einfach nicht loslassen.

Wie du siehst, fasst TULIP – oder auch die fünf Punkte des Calvinismus – Gottes Erlösungswerk zusammen und betont die allmächtige Liebe Gottes. Christen können sicher sein, dass ihr Glaube auf das Werk Gottes zurückzuführen ist. Dieses Werk kann nicht scheitern, weil seine Liebe nicht scheitern kann.


Dieser Artikel wurde ursprünglich auf der Website von Ligonier veröffentlicht.

Robert Rothwell
Robert Rothwell
Robert Rothwell ist Mitherausgeber von Tabletalk, leitender Autor für Ligonier Ministries und Professor am Reformation Bible College in Sanford, Florida (USA).