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Das Rezept nicht mit dem Kuchen verwechseln

Ein Plädoyer für Glaubensbekenntnisse

Schon seit eh und je haben Christen Zusammenfassungen ihres Glaubens niedergeschrieben und wertgeschätzt. Das früheste Glaubensbekenntnis findet sich bereits in der Bibel (1Tim 3,16). Anschließend machte die frühe Kirche verbindliche Aussagen zu wesentlichen Glaubensinhalten, die sich im Apostolischen Glaubensbekenntnis und im Bekenntnis von Nicäa finden und die bis heute als Maßstäbe der Orthodoxie (d.h. der rechten Lehre) gelten. In den folgenden Jahrhunderten haben Christen immer wieder Bekenntnisse formuliert: das Augsburger Bekenntnis (1530), die Neununddreißig Artikel (1562), das Bekenntnis von Westminster (1646), das Baptistische Glaubensbekenntnis von 1689, usw. Es gibt keinen Zeitpunkt, an dem die Kirche ohne ein Glaubensbekenntnis auskam.

Das Rezept nicht mit dem Kuchen verwechseln

Trotz ihrer großen Bedeutung in der Kirchengeschichte stoßen Glaubensbekenntnisse bei Christen auf gemischte Reaktionen. Manche nutzen Glaubensbekenntnisse voller Begeisterung. Andere behaupten, dass Glaubensbekenntnisse die lebendige Beziehung zu Gott durch eine trockene Liste von Dogmen ersetzen. Der Geist wird durch den Buchstaben verdrängt und es bleibt nur eine Hülle toter, langweiliger Orthodoxie übrig. Aber wenn man Glaubensbekenntnisse so negativ sieht, dann verwechselt man das Rezept mit dem Ergebnis, dem Kuchen. Glaubensbekenntnisse sind wie Rezepte – sie enthalten Beschreibungen der wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens. Aber sie dürfen nicht mit dem Ergebnis verwechselt werden. Die Beschreibung ist nicht unwichtig, denn verschiedene Zutaten führen zu verschiedenen Kuchen. Aber klar, wenn du das Rezept anstatt des Kuchens genießen möchtest, wirst du enttäuscht werden.

Es gibt jedoch noch einen tiefere, dunklere Erklärung für unser Misstrauen gegenüber Glaubensbekenntnissen. Das Misstrauen begann bereits im Garten Eden, als Adam und Eva sich weigerten, auf Gott zu hören. Seit dieser Zeit machen Menschen sich vor, dass Gott nicht zu uns gesprochen hat. Wenn wir zugeben würden, dass Gott gesprochen hat, dann müssten wir uns eingestehen, dass wir ihm ungehorsam waren; dass wir nicht die Herren und Götter sind, für die wir uns halten. Unklarheit darüber, was die Bibel lehrt, und ein Mangel an Genauigkeit in theologischen Fragen sind die Fortzsetzung der Täuschung im Garten Eden. Ohne Glaubensbekenntnisse tappen wir im Dunkeln und leugnen, dass Gott sein offenbarendes Licht in die Welt „gesprochen“ hat (Joh 1,1–5). Ungestört durch das grelle Licht der göttlichen Offenbarung fühlen wir uns frei, im Zwielicht zu verharren, uns nach Herzenslust eigene Götzen zu basteln und uns eine selbstgemachte Religion aus tröstlichen Erfahrungen, Moralismus oder was auch immer zu erschaffen.

Die Geschichte ist voller Beispiele für diese Tendenz. Im England des 17. Jahrhunderts strebte z.B. eine Gruppe von Theologen, die so genannten Latitudinarier ein Christentum an, das auf wesentliche Lehren verzichtete. Sie waren der nicht enden wollenden theologischen Debatten der Reformation überdrüssig, „Dogma“ (d.h. eine verbindliche Lehraussage) wurde zum Schimpfwort. Für sie war das Christentum im Wesentlichen Moral – je weniger Dogmen es gab, desto mehr Menschen konnten sich vereinen. Das Problem: Diese Einheit wurde um moralische Normen anstatt um Christus herum gebaut.

In vielerlei Hinsicht waren die Latitudinarier Vorboten der Skepsis der Aufklärung des 18. Jahrhunderts gegenüber allen Dogmen. Edward Gibbon ist ein Beispiel dieser Haltung. In seinem monumentalen Werk Decline and Fall of the Roman Empire (dt. Untergang und Fall des Römischen Reiches) bewertet Gibbon die Lehrstreitigkeiten der frühen Kirche ratlos als komplett bedeutungsloses Gezänk. Zum Beispiel weist Gibbon den arianischen Streit, bei dem es um die Frage ging, ob Christus wirklich Gott (homoousios) oder nur ein erhöhtes Geschöpf (homoiousios) ist, mit den Worten zurück: „Der Unterschied zwischen homoousion und homoiousion ist selbst für das geschulteste theologische Auge fast unsichtbar.“1 Für Gibbon war es eine unwichtige Debatte, die sich einzig um den Buchstaben i drehte. Doch bei diesem Streit ging es um weitaus wesentlichere Dinge. In der Kontroverse ging es darum, ob Christus Gott ist, ob er als Gott angebetet werden soll. Der Buchstabe i trennte die Orthodoxie von der Häresie (Irrlehre). Die eine Seite sah Christus als Schöpfer, die andere nur als Geschöpf. Gibbons unbekümmerte Gleichgültigkeit gegenüber der Lehre könnte genauso gut behaupten, dass der Unterschied zwischen Christentum und Islam lediglich eine Zahl ist: einer (Allah) oder drei (Vater, Sohn, Geist). Wir wissen jedoch, dass es auf lehrmäßige Präzision ankommt.

Hat Gott gesprochen?

Seit die menschliche Neigung aus dem Garten Eden und der Mainstream der westlichen Geistesgeschichte sich gemeinsam gegen Glaubensbekenntnisse stellen, ist die Liebe zu Bekenntnissen zu einem unvorstellbaren Affront geworden. Das ist leicht nachzuvollziehen. Gottes Offenbarung und objektive Wahrheit statt subjektiver Meinung ist eine Kränkung der modernen Kultur.

Genau das ist die Absicht eines Bekenntnisses – es weigert sich, sich auf die Behauptung einzulassen, dass Gott nicht gesprochen hat. Ein Glaubensbekenntnis behauptet, dass Gott klar und deutlich gesprochen hat. Das Festhalten an einem Glaubensbekenntnis ist ein Akt der Demut, ein Eingeständnis, dass wir nicht die obersten Richter der Wahrheit sind. Stattdessen verkünden wir in unseren Bekenntnissen, dass Gott uns eine absolute, nicht verhandelbare Wahrheit gegeben hat. Das Bekenntnis ist unsere gehorsame Antwort auf das, was Gott gesagt hat. Es ist eine Anerkennung, dass Gott Gott ist und wir es nicht sind.

Bekenntnisse weisen auch auf die Bedeutung bestimmter Lehren hin. J. Gresham Machen schrieb,

„In der Religion, wie auch in anderen Bereichen, sind die Dinge, über die sich die Menschen einig sind, meistens die Dinge, die es am wenigsten wert sind, festgehalten zu werden; die wirklich wichtigen Dinge sind die Dinge, über die die Menschen sich streiten.“2

Auf diese Weise gehören Glaubensbekenntnisse zum Kern des Christentums. Die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens sind keine bloße Meinungen, über die wir unbekümmert streiten können. Es sind stattdessen Angelegenheiten, bei denen es um objektive und historische Wahrheit geht.

Weil ein Bekenntnis ein Zeugnis göttlicher Offenbarung ist, einer Offenbarung, die nur durch den Glauben erfasst werden kann, ist die Welt nicht in der Lage zu verstehen, was sie in christlichen Glaubensbekenntnissen findet. Die Welt sieht den Gott unseres Bekenntnisses nur als einen tyrannischen Gefängniswärter, der das Denken mit seinem Diktat darüber, was wahr und was falsch ist, gefangen hält. Diese Sicht ist die einzig mögliche Schlussfolgerung für jemanden, der sich der Autorität des Wortes Gottes nicht beugen will. Das gläubige Auge dagegen erkennt den wahren Gott in den Bekenntnissen. Wahre Freiheit findet man nur durch Gottes Wort. Weit davon entfernt, ein Gefängniswärter zu sein, ist Gott, wie er in den Bekenntnissen bezeugt wird, ein Befreier. Das christliche Bekenntnis ist das Zeugnis dafür, dass Gottes Wort Freiheit schenkt und dass der Geist Gottes wirkt.

Unsere Haltung vor Gott in Schriftform

Glaubensbekenntnisse bezeugen in Schriftform unsere Haltung gegenüber Gott und seinem Wort. Wir stellen uns demütig darunter, sind ihm ergeben, forschen darin, werden von ihm herausgefordert und sind sein Zeuge in der Welt. Bekenntnisorientiertes Christentum ist keine Sondergruppe der christlichen Orthodoxie; es ist die Dokumentation der christlichen Orthodoxie. Wir sollten ohne ein orthodoxes Glaubensbekenntnis, geprüft über Jahrhunderte des Christentums, gar nicht mehr auskommen wollen.


  1. Edward Gibbon, The Decline and Fall of the Roman Empire, New York: Random House, Bd. 1, Kap. 21, S. 155. ↩︎
  2. J. Gresham Machen, Christentum und Liberalismus, 3L: Waldems 2013. ↩︎

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Michael Reeves
Michael Reeves
Michael Reeves lehrt an der Union School of Theology. Zuvor war er viele Jahre theologischer Leiter der Studentenarbeit The Christian Unions (UCCF) und stellvertretender Pastor der All Souls Kirchengemeinde am Langham Platz in London (England).