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Ein vernachlässigtes Privileg

Das Gnadenmittel des Gebets

Christen haben das große Privileg, freimütig vor den Thron der Gnade zu treten und mit Gott zu reden. Diese Gemeinschaft zwischen uns und Gott wird Gebet genannt. Dass Gläubige bei Gott Gehör finden und ihre Sorgen auf den Herrn werfen dürfen, weil er für sie sorgt, ist die bemerkenswerteste aller Segnungen. Dennoch ist das Gebet eine der am meisten vernachlässigten Disziplinen der Christen unserer Zeit. J.C. Ryle sagte einmal: „Ja: wenige beten! Es ist eines der Dinge, das als selbstverständlich vorausgesetzt, aber selten praktiziert wird; eine Sache, die jedermanns Angelegenheit ist, die aber in Wirklichkeit kaum jemand ausführt.“ Wenn diese Einschätzung auch für unsere Zeit gelten kann, was sind dann die Folgen eines gebetslosen Christentums? Leidet der Auftrag der Kirche heute unter einem Mangel an Gebet? Werden Christen in ihrer Heiligkeit gehemmt, weil nur wenige Gott um Hilfe bitten?

Fast überall klagen Menschen über die Geschäftigkeit ihres Lebens. Familien werden vom Esstisch weggezogen zu Sportvereinen, Musikunterricht und einer Vielzahl anderer Aktivitäten. Wir haben die modernsten Annehmlichkeiten, und doch hetzen wir uns mit nicht enden wollenden „Terminen“ ab. Die Rastlosigkeit unserer Zeit ist ein Hinweis auf falsch gesetzte Prioritäten. Wir verbringen Zeit damit das zu tun, was wir am meisten schätzen, aber das Gebet steht dabei nicht oben auf der Liste. Wir haben jedoch Zeit, um offen über die vielen Probleme unserer Gesellschaft zu sprechen. Die sozialen Medien leiden keinen Mangel an Christen, die ihre Zeit nutzen, um der Welt ihre Enttäuschung über den „Stand der Dinge“ mitzuteilen. Ja, wir leben in erschütternden Zeiten. Vom moralischen Bankrott der Gesellschaft bis hin zum geistlichen Niedergang der Kirche – die Probleme sind endlos. Alle reden, aber wer bringt diese Dinge im Gebet zum Herrn? Wenn Ryle mit seiner Einschätzung vor anderthalb Jahrhunderten auch nur im Mindesten recht hatte, was kann man dann von unserer Zeit sagen? Betet denn wirklich „kaum jemand“ zu unserem Erlöser-Gott?

Es wäre schwierig diesen Artikel zu schreiben, wenn wir keine Gewissheit über die Hilfe des Herrn durch das Gebet hätten. Die Heilige Schrift versichert den Gläubigen jedoch überall, dass Gott die Gebete seines Volkes erhört (vgl. 1Mose 16,112Mose 2,24Ps 4,3). Die bemerkenswerte Wahrheit über das Gebet ist, dass Gott uns seine Gnade und seinen Heiligen Geist geben möchte, wenn wir uns durch dieses Mittel auf ihn verlassen. Das Gebet ist ein Gnadenmittel, durch das der Geist in unserem Leben wirkt. Da Gott uns ein offenes Ohr versprochen hat, sollte das Gebet eine der höchsten Prioritäten im christlichen Leben sein. Ein gebetsloser Christ ist ein kraftloser Christ. Aus diesem Grund muss jede Generation herausgefordert werden, das Gebet zu einer Priorität in ihrem Leben zu machen.

Christen sind zum persönlichen Gebet aufgerufen

Wenn wir von den Gnadenmitteln sprechen, ist es wichtig, einen Unterschied zwischen den Gnadenmitteln im engeren Sinne (Gottes Wort und Sakramente), und dem Gnadenmittel im weiteren Sinne (Gebet) zu machen. Diese Unterscheidung ist wichtig, damit wir im Blick behalten, dass das Gebet unsere Antwort auf die Gnade ist, die wir aus Gottes Wort empfangen. Das mindert jedoch nicht die Aufforderung an die Christen, zu beten, da Gott denen, die beten, seine Gnade schenkt. Als die Jünger zu Jesus kamen und ihn baten, sie beten zu lehren, antwortete Jesus mit den Worten: „Wenn ihr betet …“ Der Herr brachte damit zum Ausdruck, dass das Gebet eine normale Disziplin im christlichen Leben sein sollte. Das große Bedürfnis der Christen in unserer Zeit ist es, die Überzeugung und Motivation zum Beten wiederzuerlangen.

Die Heilige Schrift ruft uns aus vielen verschiedenen Gründen zum Gebet auf. In 2. Korinther 12,7–10 ermutigt Paulus die Christen in Korinth zum Gebet, indem er sein eigenes Leben als Beispiel für Leiden verwendet. Paulus wurde ein „Dorn“ in sein Fleisch gegeben, der in seinem Leben Leiden verursachte. Es wird uns nicht gesagt, was der Dorn war, aber Paulus wollte, dass die Korinther über ihre Abhängigkeit vom Herrn nachdachten. Ein Dorn könnte alles sein, was uns die menschliche Kraft raubt: Krebs, Konflikte, Schmerzen, Verlust – all das und mehr. Als Paulus dreimal um Befreiung flehte, antwortete Jesus ihm mit den Worten: „Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft ist in der Schwachheit mächtig“ (V. 9). Ja, Paulus empfing tatsächlich Gnade vom Herrn durch das Gebet. In seiner Schwachheit ruhte die Gnade Christi auf ihm, und er erhielt Kraft.

Das Gebet ist auch ein Mittel, um uns dem Bild Christi gleichförmig zu machen und sein Volk als seine Diener aufzurichten. Die ständige Gegenwart der Sünde im Leben des Gläubigen greift diesen Zweck an. Deshalb ist das Gebet für den Christen in der Heiligung so notwendig. Sicher gibt es auch in diesem Moment einige Leser, die entmutigt sind und zutiefst mit persönlicher Sünde zu kämpfen haben. Das kann eine der frustrierendsten Erfahrungen für Christen sein. Wenn die Auferstehungskraft Christi auf uns ruht, warum werden wir dann so oft von der andauernden Sünde in unserem Leben besiegt? Das ist der Kampf, den Paulus in Römer 7 beschreibt.

In Römer 8 erinnert uns Paulus jedoch daran, dass Christen das Vorrecht haben, als adoptierte Kinder zu rufen: „Abba! Vater!“ Wenn wir das tun, wird uns die Hilfe des Heiligen Geistes versprochen, der (1) die Sünde in unserem Leben tötet (V. 13), (2) „mit unserem Geist bezeugt, dass wir Söhne Gottes sind“ (V. 16), und (3) uns bei unseren Schwächen hilft, wenn er im Gebet für uns eintritt (V. 26–27). Diese wunderbaren Verheißungen werden mit der Zusicherung von Gottes vorherbestimmter Absicht abgeschlossen, uns dem Bild Christi gleichförmig zu machen (V. 29). Dies sind bemerkenswerte Hilfen, die der himmlische Vater uns durch das Wirken des Heiligen Geistes gibt, wenn wir uns im Gebet auf ihn verlassen.

Dass die Wohltaten der Gnade und des Heiligen Geistes uns tatsächlich durch dieses Mittel des Gebets gegeben werden, ist der Grund, warum der Heidelberger Katechismus – der seine Fragen nach einem Schema von zweiundfünfzig Sonntagen aufteilt, um Pastoren beim Predigen in einem Jahr durch den Katechismus zu leiten – einen ganzen Tag des Herrn der Reflexion widmet, um Christen zum Beten zu ermutigen:

„Warum müssen Christen beten? Weil das Gebet der wichtigste Teil der Dankbarkeit ist, die Gott von uns verlangt. Und auch, weil Gott seine Gnade und seinen Heiligen Geist nur denen schenken wird, die ihn beständig und mit herzlichem Verlangen um diese Gaben bitten und ihm dafür danken“ (Frage 116).

In unserem Kampf mit der Sünde lädt Gott uns ein, im Gebet zu ihm zu kommen, und er antwortet, indem er uns seinen Geist gibt, der uns wirksam heiligt. Das Gebet ist der entscheidende Weg, durch den der Herr diese Umgestaltung bewirkt, sodass wir mehr und mehr anfangen, Jesus ähnlich zu werden.

Gemeinden sind zum pastoralen Gebet aufgerufen

Während das private Gebet eine Notwendigkeit für die Heiligung im christlichen Leben ist, gibt es noch einen anderen Weg des Gebets, den Gott gegeben hat, um Christen zu helfen. Jesus sprach ausdrücklich vom Haus seines Vaters als einem Haus des Gebets. Eine der größten Tragödien im amerikanischen Christentum ist der Tod des pastoralen Gebets – das Gebet des Pfarrers im Namen des Volkes während des Gottesdienstes am Tag des Herrn. Jahrhunderte lang war das gemeinsame Gebet in den protestantischen Kirchen ein wesentliches Element des Gottesdienstes. Heute ist dieses Gebet durch mehr Zeit für Musik ersetzt worden. Dem Gebet wird im gemeinsamen Lobpreis wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

Es gibt etwas, das dem Volk Gottes geistlich zugutekommt und was es sonst nirgends bekommt, wenn es sich zur gemeinsamen Anbetung versammelt. Der Herr hat versprochen, seinem Volk auf besondere Weise zu begegnen. Darum ist das Gebet ein wichtiges Element in der gemeinsamen Anbetung. Genauso wie das persönliche Bibellesen nicht den Empfang der Gnadenmittel im gepredigten Wort Gottes ersetzt, ersetzt das persönliche Gebet nicht den Segen des gemeinsamen Sonntagsgebets. Wenn der Pastor betet, spricht er im Namen des Volkes als Botschafter Christi. Mit einer Stimme sind die Herzen des Volkes vereint, wenn ihre Gebete zum Thronsaal Gottes aufsteigen.

Ich empfinde das pastorale Gebet als großen Segen. Wenn Ryle recht hat, dass nur wenige im täglichen Leben beten, dann sollte die Hilfe bedacht werden, die Gott uns gibt, wenn wir uns gemeinsam zum Gebet versammeln. Im öffentlichen Gottesdienst kommen wir von der Geschäftigkeit des Lebens zur Ruhe und verbinden unsere Herzen im Gebet, während wir von einem von Gott ernannten Diener darin angeleitet werden. Der Pastor leitet uns im richtigen Lobpreis an, im Bekenntnis der Sünde, im Voranbringen des Reiches Gottes, im Dank für Gottes gute Gaben und in den besonderen Nöten der Gemeinde. Gott ist bereit, die Gebete seines Volkes durch seinen Diener zu erhören. Das gemeinsame Gebet ist eine der erbaulichsten Segnungen des Gottesdienstes. Wenn unsere Gemeinden eine größere Effektivität im Dienst am Evangelium haben sollen, dann sollte dem pastoralen Gebet eine bedeutende Stellung eingeräumt werden.

Der Segen des Gebets

Das Gebet ist eines der größten Vorrechte, das Gott den Gläubigen in Christus Jesus gegeben hat. Das Gebet ist ein Mittel, dich so an deinem Gott zu erfreuen, wie du dafür geschaffen wurdest. Vielleicht beten wir nicht so wie wir sollten, weil wir nicht gelernt haben, Gott im Gebet so zu genießen wie wir sollten. Sprich mit deinem Gott; er wünscht sich, dass du diese Gemeinschaft genießt. „Werft alle eure Sorgen auf ihn, denn er sorgt für euch“ (1Petr 5,7).

„Der Herr erhört deine Gebete noch gewisser, als du überhaupt das begehrst, worum du betest (Frage 129).“

Was für ein gnädiger Gott, der sich selbst durch das Evangelium seines Sohnes für dich hingegeben hat. Was auch immer dein Lob, was auch immer deine Last ist, bring es im Gebet zum Herrn und warte auf ihn, denn er ist der Herr, unser Gott, der unser Gebet annimmt (vgl. Ps 6,9).

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Christopher J. Gordon
Christopher J. Gordon
Christopher Gordon ist Pastor der Escondido United Reformed Church in Escondido, Kalifornien (USA) und Lehrer beim Radioprogramm von Abounding Grace Radio.