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Die Sakramente als Gnadenmittel

Ich bin in einer großen Baptistengemeinde aufgewachsen, in der häufig Taufen stattfanden, während das Abendmahl nur selten gefeiert wurde. Taufen waren immer ein feierliches Ereignis – manchmal haben die Leute sogar gejubelt. Dagegen war das Abendmahl andächtig, ruhig und – für einen kleinen Jungen – langweilig. Ich habe nie den Sinn davon verstanden, noch einmal fünfzehn bis zwanzig Minuten still sitzen zu müssen. Könnte der Pastor nicht einfach „Jesus starb am Kreuz für deine Sünden“ sagen und es damit gut sein lassen? Auch den Sinn der Taufe habe ich nie wirklich verstanden, außer dass Jesus es geboten hat. Als ich im Alter von zwölf Jahren getauft wurde, war das für mich einfach nur ein Übergangsritual.

Das Westminster Bekenntnis fasst die biblische Lehre von der Bedeutung der Taufe und des Abendmahls folgendermaßen zusammen: „Sakramente sind heilige Zeichen und Siegel des Gnadenbundes, die unmittelbar von Gott eingesetzt wurden, um Christus und seine Wohltaten darzustellen und unser Anrecht auf ihn zu bestätigen“ (27.1). Die Sprache von „Zeichen und Siegeln“ kommt direkt aus Römer 4,11: „[Abraham] empfing das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, den er schon im unbeschnittenen Zustand hatte“. Auf welche Weise fungieren die Sakramente als Zeichen und Siegel?

Die Bibel enthält viele „Zeichen“: Mose vollbrachte „Zeichen“ in Ägypten (Ex 4,8 etc.), Jesu Wunder werden „Zeichen“ genannt (Joh 2,11). Tatsächlich konstituieren die Inkarnation und Jungfrauengeburt Jesu selbst ein „Zeichen“ (Jes 7,14). Zeichen sind sichtbare Markierungen, die, auch wenn sie in sich selbst schon bedeutend sein können, auf etwas anderes verweisen. Moses Zeichen verwiesen auf die Kraft Gottes und seine Absicht, sein Volk zu erlösen. Jesu Zeichen wiesen auf seine Identität als den ewigen Sohn Gottes hin (Joh 20,30–31).

Bezeichnenderweise tauchen vier der ersten sechs Erwähnungen des Wortes „Zeichen“ in der Formulierung „Zeichen des Bundes“ auf (Ex 9,12.13.1717,11). Nach der Flut schloss Gott einen Bund, also eine verbindliche Vereinbarung, mit Noah, in dem er versprach, die Erde nie wieder zu überfluten. Als Zeichen der Bestätigung seines Bundesversprechens gab Gott den Regenbogen. Ich bin in Florida groß geworden, wo nachmittägliche Sommerstürme, die oftmals von Regenbögen begleitet werden, häufig vorkommen. Wir können über die Schönheit eines Regenbogens staunen. Aber sein Hauptzweck liegt darin, uns an Gottes Bundesversprechen und Treue zu erinnern.

Gott hat auch mit Abraham einen Bund geschlossen (Gen 15,1817,2 etc.; vgl. Ex 2,24). In diesem Bund versprach Gott, Abrahams Gott und der seiner Nachkommen zu sein, ihm ein Land als Erbe zu geben, die Nationen durch ihn zu segnen, und seine Nachkommen so zahlreich wie den Sand am Meer und die Sterne am Himmel zu machen. Als Bestätigung dieser Versprechen gab Gott Abraham die Beschneidung als „Zeichen des Bundes“ (Gen 17,11).

Diese Zeichen sind sichtbare, greifbare Erinnerungen, die seinem Volk Gottes Versprechen bestätigen. Auch entsprechen sie dem jeweiligen Bund. Der Regenbogen erscheint nach einem Regen am Himmel, wenn die Sonne sich ihren Weg durch die Wassertropfen bahnt. Gott mag schwere Regenfälle schicken, die lokale Fluten mit katastrophalen Folgen für manche Menschen verursachen. Er wird jedoch nie wieder die ganze Erde überfluten und damit die gesamte Menschheit auslöschen. In seinem Bund mit Abraham verspricht Gott ihm Nachkommenschaft, einen „Samen“ (was sich letztendlich in Christus erfüllt; Gal 3,15–18). Dementsprechend bezieht sich das begleitende Zeichen auf das männliche Reproduktionsorgan. Wie wir sehen werden, sind Gottes Zeichen auch in den anderen Bünden – der neue Bund in Christi Blut miteingeschlossen – dem Wesen dieser Bünde angemessen.

Der Kirchenvater Augustinus hat die Sakramente bekanntlich als „sichtbare Worte“ bezeichnet. Wenn Kinder lernen, benötigen sie oft Bilder oder greifbare Objekte, um eine Lektion zu verstehen. Das ist es, was uns Gott in diesen sichtbaren und greifbaren Zeichen schenkt. Er begegnet uns als Kindern, damit wir seine Bundesversprechen wirklich begreifen, uns daran erinnern und eine Bestätigung derselben haben.

Ein Siegel bestand zu Paulus’ Zeiten häufig aus Wachs und hatte einen eingeprägten Abdruck, der die Identität des Besitzes bestätigte. Offizielle Dokumente und Briefe waren üblicherweise mit Siegeln versehen. War der Absender ein König oder ein Regierungsbeamter, würde man es nicht wagen, das Siegel zu brechen und einen Blick auf den Inhalt zu werfen, bevor diese Dokumente ihren Bestimmungsort erreichten. In diesem Sinn bestätigte ein Siegel einerseits die Identität des Absenders und sicherte andererseits den Inhalt.

Auf dieselbe Weise bestätigen Gottes Bundeszeichen sowohl unsere Identität als diejenigen, die zu Gott gehören, und sichern auch unsere Zugehörigkeit zu diesem Bund. Anders ausgedrückt vergewissern und stärken uns Bundeszeichen – oder Sakramente – in unserer Beziehung zu Gott. Augustinus hat es auch so ausgedrückt: Sakramente sind „sichtbare Zeichen der unsichtbaren Gnade“. Sie sind ein Mittel, durch das Gott uns seine Gnade zukommen lässt, um uns im Glauben zu stärken.

Bevor der Apostel Paulus in Römer 4 über die Beschneidung als Zeichen und Siegel für Abrahams Gerechtigkeit durch den Glauben spricht (V. 11), sagt er: „Abraham aber glaubte Gott, und das wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet“ (V. 3). Die Beschneidung war also ein Zeichen und Siegel dafür, dass Gott ihn aufgrund seines Glaubens – und nur aufgrund seines Glaubens – als gerecht erklärte. Später aber sagt Paulus, dass Abraham selbst nach jahrelangen erfolglosen Versuchen, ein Kind zu bekommen, „gestärkt [wurde] im Glauben“ (V. 20 ELB). Ein Grund für seinen starken Glauben war das Bundeszeichen, das Gott ihm gegeben hatte. Beständig bezeugte und bestätigte sein eigener Körper Gottes Verheißung an ihn.

Bundeszeichen haben aber auch noch eine andere Seite. In der antiken Welt waren Bündnisse verbindliche Übereinkünfte, die Versprechungen und Verantwortungen beider Parteien beinhalteten. In den biblischen Bündnissen verspricht Gott, unser Gott zu sein. Wir wiederum versprechen, uns Gott ganz hinzugeben und seinen Geboten zu gehorchen. Das lateinische Wort sacramentum bezog sich oftmals auf den Treueeid, den Soldaten vor ihrem befehlshabenden Offizier ablegten. Auf dieselbe Weise zeichnen uns die Sakramente als ganz zu Christus gehörend aus. In den Sakramenten versprechen wir, dass wir voll und ganz und uneingeschränkt ihm gehören.

Wenn ich Trauungen durchführe, tauschen die Braut und der Bräutigam Ringe aus und versprechen einander: „Ich gebe dir diesen Ring als Zeichen und Versprechen unserer beständigen Treue und anhaltenden Liebe“. Die biblische Ehe ist ein Bund (Mal 2,14). Der Ehering ist ein Zeichen und Siegel dieses Bundes. Er bestätigt und deklariert die Liebe zwischen Braut und Bräutigam und ihre gegenseitige Hingabe. Der Ring, den ich trage, grenzt mich ab, indem er mich als zu meiner Frau gehörend markiert, und bestätigt mein Versprechen, ihr treu zu bleiben, solange wir leben.

Gottes Sakramente sind jedoch tiefer und reicher als Eheringe. Wir werden durch sie tatsächlich geistlich gestärkt, um in unserer Hingabe an Gott treu zu bleiben. Sie helfen uns, in unserer Christusähnlichkeit zu wachsen und führen uns zu engerer Gemeinschaft mit Christus. Das tun sie nicht durch sich selbst auf irgendeine magische Weise. Sie müssen mit Wort und Geist verbunden sein und sind nur in Kombination mit dem Glauben effektiv. Wenn sie jedoch in angemessener Weise dargereicht und empfangen werden, sind sie ein wichtiges Mittel für geistliche Vitalität und Wachstum. Der Rest dieses Artikels konzentriert sich auf die zwei einzigen Sakramente, die Gott seinen neuen Bundesleuten gibt: das Abendmahl und die Taufe. Wir werden separat die spezifische Bedeutung eines jeden einzelnen erkunden und schauen, wie sie uns in unserem Leben als Mittel der Gnade und zur geistlichen Stärkung dienen.

Das Abendmahl

Das Abendmahl wurde von Jesus während eines Passahmahls mit seinen Jüngern eingesetzt. Die Passahfeier war ein altes Bundeszeichen, das Gottes Volk an seinen großen Erlösungsakt erinnern sollte, der sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit hatte (Ex 13,9). Ein Lamm und ungesäuertes Brot – beides passende Zeichen, weil sie für den Auszug so zentral waren – waren Teil dieses Mahls. Die Israeliten aßen ungesäuertes Brot, weil sie schnell aufbrechen mussten. Das auf ihre Türrahmen gestrichene Blut des Lammes bewahrte sie vor dem Gericht, das Gott über Ägypten ergehen ließ.

Ebenso feiert das Abendmahl Gottes großes Erlösungsereignis im neuen Bund. Beim Passahmahl mit seinen Jüngern sagte Jesus: „Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird“ (Lk 22,19) und: „Denn das ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28). Das Abendmahl ist ein Zeichen, das uns auf Jesu Tod am Kreuz zurückverweist. Wir essen und trinken zum „Gedächtnis“ Christi (Lk 22,19).

Das Abendmahl weist aber auch nach vorne. Während des letzten Abendmals sagte Jesus im Hinblick auf die Vollendung: „Denn ich sage euch: Ich werde nicht mehr von dem Gewächs des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes gekommen ist“ (Lk 22,18). Ähnlich schreibt Paulus über das Abendmahl: „Denn so oft ihr dieses Brot esst und diesen Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (1Kor 11,26). Zu beachten ist, dass das Abendmahl „verkündigt“. Es ist ein sichtbares Wort.

Das Abendmahl macht jedoch nicht nur das Wort sichtbar. Es bezieht alle unsere Sinne ein. Wir sehen das Brot und den Wein, aber genauso riechen, berühren und schmecken wir es. Genau genommen gehört zum Abendmahl auch das Hören, da es nach der Predigt des Wortes und der angemessenen Belehrung über die Bedeutung der Elemente durchgeführt wird. Durch die Einbeziehung aller Sinne hilft uns das Abendmahl, das Wunder des Todes Christi besser zu begreifen. Das Abendmahl macht Christi Tod am Kreuz persönlich. Christus starb nicht nur für Sünder. Er starb für mich.

Man kann es auch so ausdrücken: beim Abendmahl werden unsere Herzen mit dieser Wahrheit versiegelt. Es ist eine äußerliche, physische Bestätigung, dass ich Christus gehöre und dass Christus sich selbst für mich hingegeben hat. Um es in den wunderbaren Worten des Heidelberger Katechismus 1 zu sagen:

Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben, nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat und also bewahrt, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja auch mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss.

Außerdem verkehren wir beim Abendmahl geistlich mit Christus. Paulus schreibt: „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht [die] Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht [die] Gemeinschaft des Leibes des Christus?“ (1Kor 10,16). Das mit „Gemeinschaft“ übersetzte griechische Wort lautet koin nia. Dieses Wort bedeutet, intime Gemeinschaft mit jemandem zu haben. Dementgegen ermahnt Paulus die Korinther, nicht koin nia mit den Dämonen zu haben, sich also von heidnischer Anbetung fernzuhalten (V. 20). Christus ist während des Abendmahls geistlich präsent. Wenn wir an Brot und Wein teilhaben, haben wir intime Gemeinschaft mit ihm.

In der antiken Welt war eine gemeinsame Mahlzeit ein Ausdruck von Intimität. Mahlzeiten waren auch ein wichtiger Teil von Bundesschlusszeremonien. Die in einen Bund tretenden Parteien besiegelten die Übereinkunft, indem sie gemeinsam aßen. Wir sehen das in 2. Mose 19–24. Nachdem Gott am Sinai mit Israel einen Bund geschlossen hatte, nahmen Mose und die Führer Israels in der Gegenwart Gottes auf dem Berg eine Mahlzeit ein. Tatsächlich ist eine intime Gemeinschaft zwischen Gott und seinen Leuten der Zweck von seinen Bündnissen mit ihnen.

Das wird besonders im neuen Bund deutlich. In diesem Bund schreibt Gott sein Gesetz in unsere Herzen, vergibt unsere Sünden und gibt sich uns auf die persönlichste, intimste Weise zu erkennen: „Denn sie werden mich alle kennen, vom Kleinsten bis zum Größten unter ihnen“ (Jer 31,34). Alle drei Personen der Trinität sind beteiligt an dieser intimen Beziehung. Gott naht sich uns in diesem Bund. Christus wurde einer von uns, um die Verheißungen des neuen Bundes zu erfüllen. Der Heilige Geist wohnt in uns, macht uns zu einer neuen Schöpfung und befähigt uns, die Forderungen des Bundes zu erfüllen. Gott ist uns nicht nur nahe – er ist in uns. Das Abendmahl macht unsere innige Beziehung zu Gott zu einer größeren erfahrbaren Realität. Es spricht das Herz unserer Beziehung zu Gott an, nämlich die Liebe Gottes zu uns und unsere Liebe zu Gott. Im Abendmahl ist Christus gegenwärtig und sagt zu uns: „Du bist mein geliebtes Kind. Ich habe mein Leben für dich gelassen. Jetzt gebe ich dir die Kraft, dein Kreuz auf dich zu nehmen und mir zu folgen“.

Das Abendmahl erinnert uns auch an unsere neue Identität im neuen Bund. Das Passah des alten Bundes feierte man mit seiner Familie. Jesus dagegen aß das Passah mit seinen Jüngern, wodurch er andeutete, dass sie die neue, wahre Familie Gottes waren. Alle, die Jesus nachfolgen, sind seine Brüder und Schwestern. Das Abendmahl ist das, was manche eine „Trennungsordnung“ genannt haben, die uns als diejenigen kennzeichnet, die wirklich und ganz zu Christus gehören.

Auf diese Weise verbindet uns das Abendmahl auch mit allen, die zu Christus gehören. Paulus sagte den Korinthern, dass sie, weil sie nicht auf eine einheitliche und verbindende Weise zusammen aßen, gar nicht das Abendmahl feiern würden (1Kor 11,20). Beim Abendmahl haben wir Gemeinschaft mit Christus und miteinander. Durch den Geist stärkt das Abendmahl unsere Bindung zu Christus und zu unseren Brüdern und Schwestern in Christus.

Das Abendmahl ist reich in seiner Symbolik. Am wichtigsten ist, dass es uns an den Tod Christi an unserer statt erinnert, als er unser Gericht auf sich nahm. Es bestätigt und stärkt auch unsere Einheit mit Christus, da wir uns nicht nur erinnern, sondern auch geistlich mit Christus verbunden sind. Im Abendmahl stärken wir auch unsere Verbundenheit untereinander. Das Abendmahl weist voraus auf das „Hochzeitsmahl des Lammes“, das wir in der Gegenwart Christi und mit christlichen Brüdern und Schwestern aus allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Zungen essen werden. Bis dahin stärkt uns das Abendmahl, als Leib Christi für Christus zu leben, indem es uns von der Welt für die Welt absondert.

Die Taufe

Die Taufe ist ebenso reich an Symbolik. Anders als das Abendmahl, das ja ein wiederkehrendes Element in der Gemeinde ist, findet die Taufe für jedes Individuum nur einmal statt. In dieser Hinsicht ähnelt sie dem Zeichen der Beschneidung. Wie die Beschneidung markiert die Taufe unseren Eingang in die Bundesgemeinschaft.

Die primäre Symbolik der Taufe ist die Waschung oder Reinigung. Sie ist ein Zeichen, dass wir in Christus rein sein. Diese Verbindung von Taufe und Reinigung ist nur natürlich, weil wir im Wasser baden. Die Taufe verweist jedoch nicht auf die physische, sondern auf die geistliche Reinigung.

Das Neue Testament verbindet die Taufe an mehreren Stellen mit dem Abwaschen von Sünden. Nach Paulus‘ Bekehrung kommt Ananias zu ihm und sagt: „Steh auf und lass dich taufen, und lass deine Sünden abwaschen“ (Apg 22,16). Später schreibt Petrus, dass auch wir gerettet werden „in der Taufe, die nicht ein Abtun der Unreinheit des Fleisches ist, sondern das Zeugnis eines guten Gewissens vor Gott durch die Auferstehung Jesu Christi“ (1Pt 3,21). Oberflächlich betrachtet scheinen diese beiden Stellen zu sagen, dass die Taufe selbst unsere Sünden abwäscht und uns rettet. Bei näherer Betrachtung erweist sich diese Lesart jedoch als fehlerhaft. Petrus sagt in der zweiten Hälfte des Verses, dass es nicht um das Wasser auf dem Körper geht, sondern die Hinwendung zu Gott, weil er die Schuld unserer Sünde weggewaschen hat. Paulus schreibt auch, dass Christus seine Gemeinde „gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort“ (Eph 5,26). Johannes drückt es so aus: „[D]as Blut Jesu Christi […] reinigt uns von aller Sünde“ (1Joh 1,7). Das Blut Jesu reinigt, nicht das Wasser der Taufe. Das Taufwasser verweist auf die Reinigung im Blut Christi.

Im Unterschied zum Abendmahl ist der Täufling bei der Taufe passiv. Beim Abendmahl sind die Teilnehmer aktiv. Sie nehmen, essen und trinken aktiv. Alle, die daran teilnehmen, sind aufgerufen, sich zu prüfen und „den Leib zu unterscheiden“ (1Kor 11,28–29). Wir sind aktive Teilnehmer am Abendmahl des Herrn.

An dem Täufling hingegen wird gehandelt. Die Taufe verweist auf Gottes Gnade und die Tatsache, dass die Erlösung ganz von Gott kommt. Gott hat uns erwählt und verwandelt uns durch seinen Geist. Selbst der Glaube ist ein Geschenk Gottes (Eph 2,8Phil 1,29). Die Taufe sagt, dass diejenigen, die zu Christus gehören, durch die Gnade Gottes gerettet worden sind. Die Errettung, von Anfang bis Ende, ist Gottes Werk.

Die Taufe in diesem Sinne symbolisiert auch, dass Gott seinem Volk seinen Geist gibt. Jesus bezeichnete das Kommen des Geistes auf sein Volk an Pfingsten als eine Taufe. Das Kommen des Geistes in Apostelgeschichte 2 ist die Erfüllung der Prophezeiung von Joel, dass Gott seinen Geist über alles Fleisch „ausgießen“ würde – über Männer und Frauen, Juden und Heiden. Ähnlich erklärte Johannes der Täufer, dass er mit Wasser taufe, aber dass Christus mit dem Heiligen Geist und Feuer taufen würde.

Die Verbindung zwischen dem Geist und der Taufe ist jedoch mehr als nur literarisch. Der Geist selbst ist das Mittel der geistlichen Reinigung. Paulus schreibt, dass Gott uns „errettet [hat] durch das Bad der Wiedergeburt und durch die Erneuerung des Heiligen Geistes“ (Tit 3,5). Ebenso verbindet Hesekiel in seiner Version der Jeremia-Prophezeiung vom neuen Bund die Reinigung und die Fähigkeit, Gott zu gehorchen, mit dem Innewohnen des Heiligen Geistes:

Und ich will reines Wasser über euch sprengen, und ihr werdet rein sein; von aller eurer Unreinheit und von allen euren Götzen will ich euch reinigen. Und ich will euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres legen; ich will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben; ja, ich will meinen Geist in euer Inneres legen und werde bewirken, dass ihr in meinen Satzungen wandelt und meine Rechtsbestimmungen befolgt und tut (Hes 36,25–27).

Der Geist reinigt und befähigt

Darüber hinaus sondert uns die Taufe für Christus ab und identifiziert uns mit ihm. Das ist so, weil Christus sich in seiner eigenen Taufe mit uns identifiziert hat. Die Taufe von Johannes dem Täufer war eine „Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden“ (Mk 1,4). Jesus, der sündlose Sohn Gottes, hatte keine Sünde begangen. Johannes versuchte tatsächlich, Jesus davon abzuhalten, sich taufen zu lassen, indem er ihm sagte: „Ich habe es nötig, von dir getauft zu werden“ (Mt 3,14). Dennoch war es Jesu Mission, sich mit seinem Volk zu identifizieren, um die Schuld ihrer Sünde auf sich zu nehmen. Paulus schreibt, dass Gott „den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht [hat], damit wir in ihm [zur] Gerechtigkeit Gottes würden“ (2Kor 5,21). Jesus wurde nicht deshalb von Johannes getauft, weil er, sondern weil wir von Sünde gereinigt werden mussten.

Bei seiner Taufe wurde Jesus abgesondert, er wurde geweiht, um den Dienst zu beginnen, zu dem Gott ihn berufen hatte. Jesus war ungefähr dreißig Jahre alt, als er getauft wurde und seinen Dienst begann (Lk 3,23). Dreißig war das Alter, in dem die Priester des alten Bundes ihren Dienst begannen (Num 4,3). Zu dem Reinigungsritual, das sie für ihren Dienst aussonderte, gehörte auch Wasser (Ex 29,4Lev 8,6). In ähnlicher Weise wurde Jesus durch seine Taufe für seinen hohepriesterlichen Dienst ausgesondert: den Dienst des Lehrens, des Eintretens für seine Jünger und des Darbringens seiner selbst als das letzte und einzige ausreichende Opfer, um alle Sünden seines ganzen Volkes wegzunehmen.

In ähnlicher Weise kennzeichnet uns die Taufe als zu Gott gehörig. Sie sagt, dass wir eine neue Identität in Christus haben. Im alten Bund unterschied die Beschneidung die Israeliten von den „unbeschnittenen“ Heiden. Die Taufe sondert uns von der Welt ab und sagt, dass wir zu Christus gehören. Unsere Taufe symbolisiert unsere Vereinigung mit Christus, der selbst eins mit uns wurde und sich mit uns in seiner Taufe identifizierte. Die Taufe sondert uns auch ab, um Christus zu dienen. Wie Christus (wenn auch nicht auf genau dieselbe Weise) sind wir „Priester“ (Offb 1,6), die täglich dazu berufen sind, ihre Leiber als lebendiges Opfer darzubringen, heilig und Gott wohlgefällig (Röm 12,1).

Reinigung, Weihe, Identität, Aufnahme – all diese Begriffe sind für die Bedeutung der Taufe wesentlich. Der Westminster Larger Catechism lehrt uns, dass wenn Taufen stattfinden, wir unsere eigene Taufe „vervollkommnen“ sollen – uns daran erinnern sollen, dass wir eins mit Christus sind, gewaschen, abgesondert und berufen, ihm in der Kraft des Heiligen Geistes zu dienen. Die Taufe ist ein Gnadenmittel, weil sie uns erinnert, wer wir sind und was Gott für uns getan hat. Die Taufe rettet nicht, aber sie weist uns auf die Gnade Gottes und die Reichtümer Gottes in Christus hin.

Während die Sakramente „sichtbare Worte“ sind, haben das geschriebene und gesprochene Wort im christlichen Leben und Gottesdienst den Vorrang. Der Glaube kommt durch das Hören und das Hören durch das Wort Gottes (Röm 10,17), das das primäre Mittel der Gnade ist. Paulus ermahnt Timotheus, sich als Pastor in Ephesus der öffentlichen Lesung des Wortes, der Lehre und der Predigt zu widmen (1Tim 4,13). Die Sakramente sind zwar wichtig, spenden aber nicht auf irgendeine mystische Weise durch sich selbst schon Christus. Sie ergänzen die Verkündigung des Wortes und dürfen niemals das Lesen und Lehren der Schrift ersetzen. Sakramente sollten nie ohne Predigt und ohne eine angemessene Erklärung ihrer Bedeutung gespendet werden. Werden sie jedoch richtig angewandt, sind die Sakramente lebenswichtige Gnadenmittel, die uns in unserem Wandel mit dem Herrn stärken.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

William B. Barcley
William B. Barcley
William Barcley ist Hauptpastor der Sovereign Grace Presbyterian Church und Professor für Neues Testament am Reformed Theological Seminary in Charlotte, N.C. (USA).