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Obwohl wahrscheinlich der Apostel Johannes den Begriff „Antichrist“ prägte (vgl. 1Joh 2,18.22; 4,3; 2Joh 7), finden wir das Konzept des Antichristen bereits am Anfang der biblischen Geschichte. Das Ziel dieses kurzen Artikels ist es, die Grundzüge des biblischen Konzepts dieses erbitterten Feinds nachzuzeichnen.
Es mag seltsam erscheinen, 1. Mose als Ausgangspunkt dieser Untersuchung zu wählen, handelt es sich doch schließlich um einen Feind der letzten Zeit. Aber gerade hier entdecken wir – in Gestalt des „Samens“ – die wichtigsten Merkmale dieses Menschenfeinds. Gott schuf Adam und Eva nach seinem Ebenbild, um in seinem Namen als Könige zu herrschen, als Priester von Gottes Herrlichkeit zu dienen und sie zu vermitteln und als Propheten Gottes Gesetz zu verkörpern und einander zu lehren (vgl. 1Mose 1,26–28; 2,15–17; 2,24). Eine Person – der Teufel, den ich als das „Anti-Bild“ bezeichne –, pervertiert dieses dreifache Amt. Anstatt im Namen Gottes zu regieren, versucht das Anti-Bild, selbst als Gott zu regieren. Anstatt das Heiligtum zu bewahren, entweiht das Anti-Bild es. Anstatt Gottes Wahrheit zu verkünden, verdreht das Anti-Bild diese. Dieses Individuum verkörperte seine dreifache Agenda laut 1. Mose 3,1–15 in Form einer Schlange, und wir erfahren im sogenannten Protoevangelium (d.h. 1Mose 3,15), dass der „Samen“ der Schlange der gottesfürchtigen Linie feindlich gesinnt bleiben wird – das heißt, die Nachkommenschaft der Schlange wird ständig Krieg gegen Gottes Volk führen. Doch am Ende der Geschichte wird der Nachkomme von Adam und Eva den Bösen besiegen.
Wenn Menschen an den Antichristen denken, denken sie oft an diesen Gegner aus der Endzeit, aber die Schrift offenbart, dass die Geschichte wesentlich breiter ist. So wie es Typen und Schatten des kommenden Erlösers gibt, so gibt es auch Typen und Schatten des endgültigen Anti-Bildes, die sich gegen Gott und sein Volk erheben. Im Alten Testament reichen diese Antifiguren von falschen Lehrern (z.B. Bileam) über korrupte Priester (z.B. Hophni und Pinehas) bis hin zu feindseligen Herrschern (z.B. Ahab). Das Buch Daniel, insbesondere die Kapitel 7, 11 und 12, enthält die bei Weitem ausführlichste Erörterung dieses Themas im Alten Testament und gibt uns eindeutige eschatologische Prophezeiungen. Dem Propheten Daniel nach wird ein Mensch die dreifache Natur des Gegenbildes verkörpern. Als Gegenkönig wird er Krieg mit den Heiligen führen und sie besiegen (vgl. Dan 7,21; 11,33). Als Antipriester werden Kräfte von ihm erscheinen „und das Heiligtum, die Zuflucht, entweihen und das beständige [Opfer] abschaffen“ (Dan 11,31; vgl. Dan 2,8.11.25; 8,9–12). Als Antiprophet wird er „sich erheben und großtun gegen jeglichen Gott, und er wird gegen den Gott der Götter unerhörte Worte ausstoßen“ (Dan 11,36; vgl. Dan 11,30–34).
Das Neue Testament verfeinert und schärft das Bild von Israels Feind. Als Erstes sehen wir Jesus, wie er über die endzeitlichen Gegner Israels spricht und dabei eine Formulierung aus dem Buch Daniel verwendet: „Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus! Und sie werden viele verführen. … Und es werden viele falsche Propheten auftreten und werden viele verführen“ (Mt 24,5.11; vgl. Mt 24,23–26). Jesus kündigt eine antichristliche Figur an, die Israel vor der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n.Chr. verführen wird. Sein Einfluss wird ein Zeichen dafür sein, dass die Zerstörung Israels nahe ist. In Matthäus 24,5 wird der Unterdrücker durch Täuschung gekennzeichnet sein; er wird behaupten, „der Christus“ zu sein, und deshalb den Glauben vieler Menschen erschüttern. Die Evangelien öffnen uns ebenfalls den Blick und enthüllen, dass Satan und seine Schergen hinter den falschen Lehren und der Verfolgung stehen, die im ersten Jahrhundert und darüber hinaus grassierten (vgl. Lk 4,13; 6,7; 22,3; 23,3; Joh 8,42–47).
Einer der aufschlussreichsten Kommentare über das Wesen der Gegner Christi stammt aus 2. Thessalonicher 2, wo Paulus argumentiert, dass das zweite Kommen Christi ein zukünftiges Ereignis ist, weil diesem Tag zwei Ereignisse vorausgehen werden: „Abfall“ und die Enthüllung des „Sohn[es] des Verderbens“ (2Thess 2,3). Der „Sohn des Verderbens“ ist noch nicht auf der Bildfläche erschienen, aber in einem gewissen Sinn ist der endzeitliche Unterdrücker auf erschreckende Weise doch bereits auf der Bildfläche. 2. Thessalonicher 2,7 sagt: „Das Geheimnis der Gesetzlosigkeit ist schon am Wirken“. Paulus verwendet hier das Wort „Geheimnis“, um eine einzigartige Situation mit verblüffenden Auswirkungen zu beschreiben: Nach Daniel wird der endzeitliche Verfolger der Bundesgemeinschaft in der Zukunft in seiner vollen leiblichen Gegenwart erscheinen, doch Paulus argumentiert, dass der Widersacher dennoch bereits jetzt in der Gemeinschaft am Werk ist. Die Einsicht des Paulus erhellt die spätere Aussage des Johannes in 1. Johannes 2,18: „Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so sind jetzt viele Antichristen aufgetreten; daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist.“ Mit einem Wort: Der eschatologische Unterdrücker des Volkes Gottes ist gegenwärtig aktiv und inspiriert die Irrlehrer und Verfolger der Kirche.
Natürlich liefert das Buch der Offenbarung das meiste Material, um das Wesen des Antichristen zu skizzieren. Wir sehen, wie Satan den Antichristen antreibt und inspiriert, sein Ziel zu erreichen. Kapitel 13 scheint mit den anderen neutestamentlichen Lehren zu diesem Thema übereinzustimmen, wenn es heißt, dass der Antichrist im 1. Jahrhundert sein Werk begann, nämlich die Gläubigen innerhalb der Kirche zu unterdrücken und die Ungläubigen, die falschen Christen, zu verführen und zu verunreinigen. Der Antichrist wird dies so lange tun, bis er sich unmittelbar vor dem zweiten Kommen Christi physisch manifestiert.
Wie sollte die Kirche auf den bereits vorhandenen und den noch nicht vorhandenen Einfluss des Antichristen reagieren? Gottes Volk sollte das tun, was wir immer getan haben: an der gesunden Lehre festhalten und Verfolgung ertragen. Der Antimessias wird weiterhin aktiv sein, aber wir sollten uns damit trösten, dass der wahre Messias den Teufel besiegt hat und dass sein Sieg auch unser Sieg ist.
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.