Der Antichrist außerhalb der Offenbarung
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Fragen rund um das Tausendjährige Reich lösen unter Christen heute oft heftige Diskussionen aus. Wenn das Thema zur Sprache kommt, dauert es nicht lange, bis die Debatte in Argumente über die drei vorherrschenden Ansichten ausartet: Prämillennialismus (sowohl in seiner historischen als auch in seiner dispensationalistischen Form), Amillennialismus und Postmillennialismus. Das Bedauerliche an diesen Debatten ist, dass sie sich auf die Frage nach dem genauen Zeitpunkt des Millenniums konzentrieren. Findet es vor oder nach der Wiederkunft Christi am Ende des gegenwärtigen Zeitalters der Erlösungsgeschichte statt? Findet die Auferstehung der Gläubigen vor oder nach dem Millennium statt? Diese Fragen sind zwar wichtig, aber sie können leicht vom Hauptpunkt der Vision in Offenbarung 20 ablenken. Sie neigen auch dazu, eine Auslegung dieser Textstelle zu fördern, die vom Zeugnis des Neuen Testaments als Ganzes isoliert ist.
Doch wenn wir uns der Vision des Millenniums in Offenbarung 20 im Rahmen des Buches der Offenbarung im Besonderen und des Neuen Testaments im Allgemeinen nähern, können wir das große Thema erfassen, nämlich, dass die Herrschaft Christi bereits begonnen hat und schließlich triumphieren wird, wenn Christus kommt, um seine Braut, die Gemeinde, in ihrem verherrlichten Zustand zu empfangen (vgl. Offb 21–22). Um den Titel von Dennis Johnsons hervorragendem Kommentar zum Buch der Offenbarung aufzugreifen, ist es Der Triumph des Lammes, um den es bei den gegenwärtigen und zukünftigen Aspekten der Erlösungsgeschichte geht.
Um die Bedeutung der Vision des Millenniums in Offenbarung 20 zu verstehen, ist es wichtig, sich an den Zweck und die Struktur des Buches der Offenbarung als Ganzes zu erinnern. Der Zweck der Offenbarung ist es, die sieben Gemeinden in Kleinasien (vgl. Offb 2–3), die ursprünglichen Empfänger, und alle Gemeinden Jesu Christi in der späteren Geschichte, die diese Gemeinden repräsentieren, zu trösten und zu ermutigen. Das bedeutet, dass alle Visionen des Buches, einschließlich der Vision des Millenniums, unter dem Gesichtspunkt dieser Frage betrachtet werden sollten: Wie würde diese Vision die ursprünglichen Adressaten des Buches ermutigen?
Die Struktur des Buches der Offenbarung ist besonders aufschlussreich. Der einleitende Prolog der Offenbarung beschreibt Christus als „[den] treuen Zeugen, [den] Erstgeborenen aus den Toten und [den] Fürsten über die Könige der Erde“ (Offb 1,5). Jesus Christus ist bereits jetzt der auferstandene, aufgefahrene und regierende König. Obwohl er gestorben ist, lebt er jetzt für immer und hat „die Schlüssel des Totenreiches und des Todes“ (Offb 1,18). Christus ist der König der Könige und Herr der Herren, der inmitten der „sieben goldenen Leuchter“ (die die Gemeinden darstellen) wandelt und die „sieben Sterne“ (die den Dienst der Gemeinden am Wort darstellen) fest in seinen Händen hält (Offb 1,20). Nach dieser atemberaubenden Offenbarung des Königtums Christi berichtet das Buch über die Briefe Christi an die sieben Gemeinden, gefolgt von einer bemerkenswerten Vision, die Christus als den Einzigen offenbart, der würdig ist, die sieben Siegel der Schriftrolle zu brechen, die Gottes umfassende Pläne für den Lauf der Geschichte darstellt (vgl. Offb 4–5).
Danach folgt der Hauptteil des Buches mit einer Reihe von Visionen (oft in Siebenerfolgen, die den gesamten Umfang der Erlösungsgeschichte darstellen). In diesen Visionen sehen wir eine symbolische Darstellung dessen, was sich im Laufe der gegenwärtigen Epoche der Erlösungsgeschichte ereignen wird. Diese Visionen erzählen die Geschichte der Erlösung vom ersten Kommen Christi bis zu seiner Wiederkunft am Ende des Zeitalters. Trotz der Komplexität dieser Visionen liegt ihr Hauptaugenmerk auf dem Triumph des Lammes zusammen mit seinem Volk. Im Laufe der Erlösungsgeschichte treten vier Erzfeinde Christi und seiner Gemeinde auf: der Drache, das erste Tier, das zweite Tier oder der falsche Prophet und die falsche Gemeinde, die auch als Hure Babylon bezeichnet wird. In genau umgekehrter Reihenfolge ihres Erscheinens werden diese Gegner nacheinander von Christus besiegt werden. Mit dem Triumph Christi triumphiert auch sein Volk. Die Vision des Millenniums schließt den Hauptteil des Buches ab. Danach folgt eine abschließende Reihe von Visionen, die den endgültigen Triumph Christi im neuen Himmel und auf der neuen Erde darstellen.
Wenn man Offenbarung 20 im Lichte des Zwecks und der Struktur des Buches der Offenbarung auslegt, wird ein Punkt kristallklar: Christus, das Lamm Gottes, wird über alle seine Feinde und die seines Volkes siegen. Nichts wird die Macht Christi vereiteln, seine Gemeinde zu sammeln, zu schützen und zu bewahren, bis sein Reich in seiner Fülle kommt. So wie das Lamm Gottes paradoxerweise der Löwe des Stammes Juda ist, so lebt und regiert die verfolgte Gemeinde Jesu Christi paradoxerweise mit Christus, selbst im Angesicht von Widerstand und Tod.
Wie mein Lehrer Anthony Hoekema seine Studenten oft erinnerte, ist die Herrschaft Christi, die in Offenbarung 20 dargestellt wird, dieselbe Herrschaft, von der das gesamte Neue Testament spricht. Der auferstandene und aufgefahrene Christus hat „alle Macht im Himmel und auf Erden“ (Mt 28,18). Menschen aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen werden durch das Blut des Lammes erlöst. Der auferstandene Christus wird herrschen, bis er alle seine Feinde unter seine Füße gelegt hat, auch den letzten Feind, den Tod selbst (vgl. 1Kor 15,25–26). Die Evangelien erinnern uns daran, dass Christus kam, um das Haus des Starken zu fesseln und zu plündern (vgl. Mt 12,29; Lk 10,17–18). In den Worten Christi selbst: „Jetzt ergeht ein Gericht über diese Welt. Nun wird der Fürst dieser Welt hinausgeworfen werden; und ich, wenn ich von der Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen“ (Joh 12,31–32).
Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.