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Gott ist Liebe

Der Apostel Johannes wird nicht müde, die Christen zu ermahnen einander zu lieben. Der vorliegende Abschnitt ist eine seiner eindringlichsten Ermahnungen. Er begründet dies nicht einfach mit dem Gebot des Herrn Jesus (vgl. Joh 13,34–35), sondern mit dem Wesen Gottes selbst – „Gott ist Liebe“. Damit macht Johannes uns klar, dass die Liebe grundsätzlich zum Wesen Gottes gehört. Gott ist nicht in einem bedingten Sinne liebevoll, als ob er auch anders hätte sein können. Er ist von Grund auf und unbedingt liebevoll. Wir können sogar sagen, dass er die Liebe selbst ist. Er ist die ursprüngliche Quelle, aus der jede andere Form der Liebe fließt.

Bei Gott gilt dies aber für alle seine Eigenschaften. Alles, was Gott ist, ist er wesentlich und unbedingt. Er könnte gar nicht anders sein. Wie Gott liebend ist, so ist er auch gerecht, gut, weise, barmherzig usw. Oder, wenn wir seine Eigenschaften als Substantive ausdrücken wollen: Gott ist Gerechtigkeit, Güte, Weisheit, Barmherzigkeit usw., so wie er auch Liebe ist. Im Gegensatz zu Menschen oder Engeln, die liebevoll oder lieblos, gut oder böse, weise oder töricht, barmherzig oder grausam sein können, ist Gott unbedingt liebevoll, denn er ist unbedingt „unendlich, ewig und unveränderlich in seinem Wesen, seiner Weisheit, Macht, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Güte und Wahrheit“ (Westminster Kleiner Katechismus 4).

Theologen haben die wesentliche Einheit aller Eigenschaften Gottes unter dem Überbegriff Seiner Einfachheit betrachtet, obwohl die Idee hier alles andere als einfach zu sein scheint. Damit ist nicht gemeint, dass dieser Gedanke leicht zu vermitteln oder zu verstehen ist (immerhin handelt es sich um Gott), sondern dass Gottes Eigenschaften sich nicht aus Teilen zusammensetzen, die voneinander oder von ihm selbst verschieden sind. Gott ist kein zusammengesetztes Wesen, das aus separaten und unterschiedlichen Komponenten besteht. Selbst die einzelnen Personen der Dreieinigkeit sind nicht als Teile oder Komponenten des einen wahren Gottes zu betrachten. Jede Person ist ganz Gott, und sie alle haben ein einziges Wesen – ein Wesen, das einfach und nicht zusammengesetzt ist.

Wenn wir an diesen Wahrheiten festhalten, werden wir nicht durch Lehren in die Irre geführt, die ein Wesensmerkmal Gottes über ein anderes stellen oder ein solches in Spannung zu einem anderen setzen. Solche Vorstellungen werden uns dazu verleiten, die Lehre der Heiligen Schrift zu verzerren und vielleicht einen Teil der Bibel zugunsten eines anderen zu verwerfen. Die Liebe Gottes wird manchmal so dargestellt, als ob sie die primäre Eigenschaft Gottes wäre und die anderen irgendwie sekundär, als ob der volle Ausdruck der Liebe Gottes auf irgendeine Weise den vollen Ausdruck seiner Gerechtigkeit begrenzen oder sogar verhindern würde. Wenn man das ins Extrem treibt, könnte man die Gerechtigkeit Gottes in der ewigen Bestrafung der Bösen mit der Begründung ablehnen, sie sei unvereinbar mit seiner Liebe. Doch beides wird in der Heiligen Schrift deutlich gelehrt.

Die Bibel fasst die verschiedenen Eigenschaften Gottes, die alle zu seiner Herrlichkeit gehören, wunderbar zusammen. Als Gott Mose seine Herrlichkeit offenbart, verkündet er seinen Namen mit den Worten:

„Der Herr, der Herr, der starke Gott, der barmherzig und gnädig ist, langsam zum Zorn und von großer Gnade und Treue; der Tausenden Gnade bewahrt und Schuld, Übertretung und Sünde vergibt, aber keineswegs ungestraft lässt, sondern die Schuld der Väter heimsucht an den Kindern und Kindeskindern bis in das dritte und vierte Glied!“ (‭‭2Mose‬ ‭34,6–7‬‬)

Hier werden viele Eigenschaften Gottes erwähnt, wobei keine davon als grundsätzlicher oder vorrangig vor den anderen betrachtet wird. Keine steht in Spannung zu einer anderen. Der Gott der unerschütterlichen Liebe und Treue ist auch der Gott des Gerichts, dessen Zorn sich auf die Schuldigen ergießt. Die Herrlichkeit Gottes schließt sie alle ein. Wir können diese Harmonie auch anderswo in der Heiligen Schrift sehen (vgl. Jes 30,18Hos 2,19).

Das Kreuz demonstriert auf dramatische Weise die vollkommene Einheit der Eigenschaften Gottes. Johannes weist darauf hin, dass es der höchste Ausdruck der Liebe Gottes ist: „Darin ist die Liebe Gottes unter uns geoffenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben sollen“ (1Joh 4,9). Es ist aber auch der höchste Ausdruck der Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit Gottes, denn Gott hat seinen Sohn

„zum Sühnopfer bestimmt, das wirksam wird durch den Glauben an sein Blut, um seine Gerechtigkeit zu erweisen, weil er die Sünden ungestraft ließ, die zuvor geschehen waren, als Gott Zurückhaltung übte, um seine Gerechtigkeit in der jetzigen Zeit zu erweisen, damit er selbst gerecht sei und zugleich den rechtfertige, der aus dem Glauben an Jesus ist.“ (Röm‬ ‭3,25–26‬)

Dass Gott Liebe ist, ist sicherlich eine Wahrheit, die wir von den Dächern rufen und in unserem Herzen bewahren sollten. Aber so ist es auch mit allen seinen Eigenschaften. Keine ist schöner als die andere, keine ist wichtiger als die andere. Keine steht in Spannung zu den anderen, und alle sind wesentlich. Im Wesen Gottes herrscht vollkommene Harmonie, und alle seine Eigenschaften gehören wesentlich und notwendig zu seiner Herrlichkeit.


Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Mark E. Ross
Mark E. Ross
Mark Ross ist „John R. de Witt“-Professor für Systematische Theologie und Leiter des Instituts für Reformed Worship am Erskine Theological Seminary in Columbia, S.C. (USA).