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„Ich stehe an der Tür und klopfe an“

Vor Jahren saß ich auf meiner Veranda und las ein Buch, als plötzlich eine Stimme erklang: „Entschuldigen Sie. Wir würden gerne mit Ihnen darüber sprechen, ob Sie Jesus in Ihr Herz eingeladen haben.“ Es waren jedoch keine Sektenanhänger, die an meiner Tür standen, sondern evangelikale Christen, die sich um meinen Herzenszustand sorgten und mich anflehten, die Tür zu öffnen und Jesus hineinzulassen. Ich schätzte ihren Eifer, Zeugnis von Christus zu geben, aber ihre Vorgehensweise bereitete mir Kopfzerbrechen. Falls Jesus bei meiner Rettung darauf warten müsste, dass ich ihm meine Herzenstür öffne, dann weiß ich eines sicher: Diese Tür würde niemals aufgehen!

Dieses Missverständnis ist folgenschwer, denn es beeinflusst massiv, wie wir Menschen Jesu tatsächlichen Ruf zu Buße und Glauben wahrnehmen. Wir haben aus Jesus, dem regierenden König, der seinen Ruf – „Küsst den Sohn, dass … ihr nicht umkommt auf dem Weg“ (Ps 2,12) – durch seine Botschafter erklingen lässt, einen Bettler auf Knien gemacht, der verzweifelt darauf hofft, von uns angenommen zu werden – als wäre er derjenige, der unsere Annahme braucht. Auf diese Weise haben wir dafür gesorgt, dass die Menschen ihn überhaupt nicht mehr ernst nehmen müssen. Wenn Jesus mich liebt und einen wunderbaren Plan für mein Leben hat – Aussagen, die heutzutage Hand in Hand gehen mit der Bitte, Christus in unser Herz einzuladen – dann macht es nicht wirklich einen Unterschied, ob ich ihn einlasse, oder?

Die Vorstellung, dass Jesus an der Tür unseres Herzens klopft, basiert üblicherweise auf einem falschen Verständnis von Offenbarung 3,20: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an; wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm essen und er mit mir.“ Dieser Vers spricht jedoch nicht den Herzenszustand eines Individuums an, sondern ist ein Aufruf zur Buße an die Gemeinde in Laodizea, weil sie vom Evangelium des Reiches abgewichen ist, mit dessen Verkündigung Christus sie beauftragt hat.

Viele Gelehrte wissen, dass der Stadt Laodizea sauberes Wasser fehlte, und man mittels eines Kanals Wasser aus den heißen Quellen vor Ort in die Stadt leiten musste. Bis das Wasser in der Stadt war, war es oft verdreckt, lauwarm und ungenießbar. Jesus scheint den geistlichen Zustand der Gemeinde mit der ekelhaften Erfahrung zu vergleichen, lauwarmes Wasser zu trinken. Dabei verkündet er, dass er sie genauso ausspucken wird, wie sie manchmal ihr eigenes Trinkwasser ausspuckten, weil ihre Werke in seinem Reich ungenießbar sind.

Was war das Problem der Gemeinde in Laodizea? Jesus sagt, dass die Gemeinde sich selbst als reich und wohlhabend sah, als solche, die nichts mehr brauchten. Die Menschen dort erkannten ihre geistliche Armut nicht und weigerten sich zu erkennen, dass sie „elend und bemitleidenswert und arm und blind und bloß“ waren (Offb 3,17). Die Gemeinde in Laodizea genoss ihren eigenen Wohlstand und gab das Evangelium auf. Ihr Dienst war voller Stolz und Selbstvertrauen, im geistlichen Leben und im Zeugnis fehlte jegliche Abhängigkeit von Jesus. Und ihre Botschaft begann diese Autonomie widerzuspiegeln. Der Dienst der Versöhnung – das Leben, den Tod und die Auferstehung Jesu bekanntzumachen – war nicht mehr von höchster Wichtigkeit. Der Fokus lag stattdessen auf den eigenen Plänen, Möglichkeiten und Vorstellungen, wie die Gemeinde sein sollte. Ihr Dienst führte Menschen nicht zu Jesus als dem Erlöser von Sünden, sondern wurde zu einem Dienst der Selbstgerechtigkeit. Sie hatten vergessen, dass Jesus nicht gekommen war, um Gerechte zur Buße zu rufen, sondern Sünder (vgl. Lk 5,32).

In diesem Zusammenhang spricht Jesus der Gemeinde eine schwerwiegende Warnung aus: „Siehe, ich stehe an der Tür und klopfe an.“ Dieses Klopfen ist ein Klopfen der Züchtigung und des Gerichts über eine Gemeinde, die ihre Mission vergessen hat. Wenn Jesus zur Gemeinde in Laodizea kommt, was wird er dann finden? Wenn die Gemeinde sich weigert auf ihn zu hören, dann wird er im Gericht die Tür aufbrechen. Wenn aber die Gemeinde auf seinen Bußruf hin die Tür öffnet, dann wird er hineinkommen und mit ihnen essen, und sie werden sich an seiner Gegenwart erfreuen.

Jesus kniet in Offenbarung 3,20 nicht vor der Tür unseres Herzens und möchte hinein. Falls wir diesen Vers irgendwie auf Einzelpersonen anwenden sollten, dann so: Er ist eine Warnung an jene, die nach außen den Glauben an Christus bekennen. Sie sollen Buße tun, weil ihnen sonst schwere Züchtigung zufallen wird. Dieser Vers ist jedoch im Kontext ein ernster Ruf an die gesamte Gemeinde, dafür Buße zu tun, in ihrem äußerlichen Reichtum selbstsicher geworden zu sein, während sie die eine Botschaft verlassen hat, welche dieser verlorenen Welt Leben bringt. Die Weigerung Buße zu tun, wird der Gemeinde Jesu Züchtigung einbringen.

Wenn wir die Botschaft von Leben, Tod und Auferstehung Jesu verlassen und stattdessen auf unsere eigenen Mittel vertrauen, dann haben wir nicht mehr die Funktion einer wahren Gemeinde und gehen das Risiko ein, ausgestoßen zu werden. Diese Warnung richtet sich genauso an die Gemeinde heute, wie sie sich im ersten Jahrhundert an Laodizea richtete. Zeigen all unsere Gemeindebauprojekte und Anstrengungen, Gemeindewachstum zu erzielen, dass es uns am meisten darum geht treue Zeugen des Namens Jesu zu sein, oder sind es einfach Erscheinungsformen, die dazu da sind, damit wir uns selbst besser fühlen? Diese Sorge ist die Motivation für Jesu Klopfen an der Tür der Gemeinde in Offenbarung 3,20. Die Gemeinde sollte niemals vergessen, wozu sie existiert: einer verlorenen Welt den Dienst der Versöhnung zu verkündigen.


Dieser Artikel wurde ursprünglich in der Zeitschrift Tabletalk veröffentlicht.

Christopher J. Gordon
Christopher J. Gordon
Christopher Gordon ist Pastor der Escondido United Reformed Church in Escondido, Kalifornien (USA) und Lehrer beim Radioprogramm von Abounding Grace Radio.